Ausgabe März 1996

Französische Zustände

Die glänzende Zukunft des Streiks

Wir möchten der Interpretation, die Pascal Perrineau und Michel Wieviorka in ihrem Beitrag "Über die Natur der sozialen Bewegung" in "Le Monde" vom 20. Dezember vorgelegt haben, entschieden widersprechen. Sichtlich von einer Bewegung enttäuscht, die ihrer Lesart der Gesellschaft nicht entspricht und sie so ihrer Grundlage beraubt, greifen die beiden voller Ressentiments die Streikenden selbst an, ihren Mangel an Gesamtperspektive und die Nichtigkeit ihres Projekts. Statt ihre Theorie zu überprüfen, kaprizieren sie sich unter Mißachtung auch der offensichtlichsten Tatsachen darauf, die Bewegung zum "auf einige Branchen begrenzten Konflikt" schrumpfen zu lassen, unfähig "sich der Zukunft anders als im Rückwärtsgang zuzuwenden". Als selbsternanntes soziologisches Gericht - unter Soziologen ein Novum - vergreifen sie sich in ihrer Verurteilung der Bewegung, die keine Berufung zuläßt, schließlich an den Fakten: Als "Ausdruck des Niedergangs des französischen Integrationsmodells" begibt sich diese Bewegung auf den "Pfad des Rückzugs auf die nationale Identität, den andere Kräfte in anderen politischen Situationen bereits exploriert haben".

März 1996

Sie haben etwa 14% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 86% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Chile: Leere Versprechen für die Indigenen?

von Malte Seiwerth

Am 1. Juni hielt der chilenische Präsident Gabriel Boric zum letzten Mal seine jährliche Rede vor den beiden Parlamentskammern des südamerikanischen Landes, eine Tradition, die seit 1833 gepflegt wird. Nach dreieinhalb Jahren im Amt wirkte seine Rede bereits wie ein Abschied.

Kanada als Vorbild: Fünf Punkte für nachhaltige Migration

von Naika Foroutan, Harald Bauder, Ratna Omidvar

Angetrieben von der AfD, die die jüngsten Anschläge durch Asylbewerber nutzt, um immer weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik zu fordern, schlittert die Bundesrepublik gegenwärtig in eine aktionistische Abschottungspolitik, die jegliche Expertise aus Wirtschaft und Wissenschaft ignoriert. Seit Jahren wird dadurch hierzulande verhindert, dass dringend notwendige Weichen in der Migrationspolitik neu gestellt werden.