Gemeinsame amerikanisch-russische Erklärung zur europäischen Sicherheit, verabschiedet beim Gipfeltrenn in Helsinki am 21. März 1997 (Wortlaut)
Die Präsidenten Clinton und Jelzin erörterten die derzeitige Sicherheitslage im euroatlantischen Raum. Sie bekräftigten ihr Engagement für das gemeinsame Ziel, ein stabiles, sicheres, integriertes und ungeteiltes demokratisches Europa aufzubauen. Die Rolle der Vereinigten Staaten und Rußlands als Mächte mit weltweiten Pflichten stellt an diese Länder die besondere Anforderung, zur Erlangung dieses Ziels eng zusammenzuarbeiten.
Die Präsidenten bekräftigten, daß diese Zusammenarbeit im Geist von Offenheit und Pragmatismus stattfinden wird, der in den letzten Jahren charakteristisch für die amerikanisch-russischen Beziehungen gewesen ist. In Erinnerung an die gemeinsame Erklärung zur europäischen Sicherheit vom Mai 1995 stellten die Präsidenten fest, daß ein dauerhafter Friede in Europa auf der Integration des gesamten Kontinents in einer Reihe sich gegenseitig unterstützender Institutionen und Beziehungen gründen sollte, die gewährleisten, daß es keine erneute Teilung oder Konfrontation geben wird. Keine Institution kann die Sicherheit alleine gewährleisten.
Die Präsidenten stimmten überein, daß die Entwicklung von Sicherheitsstrukturen auf eine Art und Weise stattfinden sollte, die keinen Staat bedroht und das Ziel des Aufbaus eines stabileren und integrierten Europas fördert. Diese Evolution soll auf einer umfassenden Verpflichtung zu den Grundsätzen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) basieren, wie sie in der Schlußakte von Helsinki, dem Verhaltenskodex von Budapest und anderen OSZE-Dokumenten niedergelegt sind, einschließlich der Respektierung von Menschenrechten Demokratie und politischem Pluralismus, der Souveränität und territorialen Integrität aller Staaten sowie ihres natürlichen Rechts auf die Auswahl der Mittel zur Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit.
Die Präsidenten sind überzeugt, daß die Stärkung der OSZE, deren Potential noch voll entfaltet werden muß, den Interessen der Vereinigten Staaten und Rußlands dient.
Die Präsidenten verliehen ihrer Zufriedenheit über das Ergebnis des OSZE-Gipfels von Lissabon Ausdruck und waren sich über die Bedeutung der Umsetzung der dort getroffenen Entscheidungen einig, die Ziele der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit genauer zu definieren und weiter nach innovativen Methoden für die Erfüllung der wachsenden Zahl von der OSZE übernommener Aufgaben zu suchen. Sie unterstrichen ihr Engagement für die Förderung der operativen Fähigkeiten der OSZE als einzigem Rahmen für die europäische Sicherheitszusammenarbeit, der die umfassende und gleichberechtigte Beteiligung aller Staaten vorsieht. Die Konsensregelung soll die unantastbare Grundlage für den Entscheidungsfindungsprozeß der OSZE sein.
Die Präsidenten bekräftigten ihr Engagement für die Zusammenarbeit bei den laufenden Bestrebungen der OSZE zur Entwicklung eines Sicherheitsmodells für Europa, das der drastisch veränderten Situation am Vorabend des 21. Jahrhunderts und den auf dem Gipfel von Lissabon getroffenen Entscheidungen über eine Charta zur europäischen Sicherheit Rechnung trägt. Die wesentliche Rolle der OSZE in Bosnien und Herzogowina und ihre Fähigkeit zur Entwicklung neuer Formen der Friedenssicherung und Konfliktverhütung sollten ebenfalls aktiv weiterentwickelt werden. Bei ihren Gesprächen in Helsinki richteten die beiden Präsidenten ihr besonderes Augenmerk auf die Frage der Beziehungen zwischen der NATO und der Russischen Föderation. Uneinig waren sie sich weiterhin über die Frage der NATO-Erweiterung. Um die möglichen Auswirkungen dieser Meinungsverschiedenheiten gering zu halten, einigten sich die Präsidenten, auf bilateraler Ebene und gemeinsam mit anderen Ländern ein Dokument auszuarbeiten, das die Zusammenarbeit zwischen der NATO und Rußland als wichtiges Element eines neuen umfassenden europäischen Sicherheitssystems festlegt. Das von den Staatschefs der NATO-Mitgliedstaaten und Rußlands unterzeichnete Papier würde eine dauerhafte Verpflichtung auf höchster politischer Ebene darstellen. Ferner stimmten die Präsidenten darin überein, daß die in diesem Dokument definierten Beziehungen zwischen der NATO und Rußland Konsultationen, Koordination und - soweit möglich und wo angemessen - gemeinsame Entscheidungsfindung und Aktionen bei gemeinsame Belange betreffenden Sicherheitsfragen vorsehen sollen.
Die Präsidenten stellten fest, das von der NATO und Rußland verabschiedete Dokument würde sowohl die tiefgreifende Umgestaltung der NATO, einschließlich ihrer politischen und friedenssichernden Dimension, als auch die neuen Realitäten Rußlands beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft berücksichtigen und dazu beitragen. Das Dokument verkörpert darüber hinaus das gemeinsame Engagement der NATO und Rußlands bei der Entwicklung ihrer Beziehungen in einer die gegenseitige Sicherheit verbessernden Weise.
Die Präsidenten erinnerten an die historische Bedeutung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa bei der Schaffung des erforderlichen Vertrauens für den Aufbau eines gemeinsamen Sicherheitsraums auf dem Kontinent im Interesse aller Staaten in Europa, ob sie einem militärischen oder politischen Bündnis angehören oder nicht, und werden weiterhin jegliche destabilisierende Aufrüstung von Streitkräften in unterschiedlichen Regionen Europas verhindern.
Die Präsidenten unterstrichen die Bedeutung einer Anpassung des KSE-Vertrags. Sie stimmten bezüglich der Notwendigkeit einer Beschleunigung der Verhandlungen zwischen den KSE-Parteien überein mit dem Ziel, bis Ende Frühjahr oder Anfang Sommer 1997 ein Rahmenabkommen abzuschließen, das die grundlegenden Elemente eines angepaßten KSE-Vertrags enthält, im Einklang mit den Zielen und Prinzipien des in Lissabon im Dezember 1996 vereinbarten Dokuments über den Umfang und die Parameter. Präsident Jelzin betonte die Sorge Rußlands, die NATO-Erweiterung werde zu einer potentiell bedrohlichen Aufrüstung permanent stationierter Streitkräfte der NATO in der Nähe Rußlands führen. Präsident Clinton unterstrich, daß das Bündnis keine diesbezüglichen Aktionen in Erwägung zieht. Präsident Jelzin begrüßte Präsident Clintons Erklärungen und bekräftigte, Rußland würde entsprechende Zurückhaltung bezüglich der Stationierung seiner konventionellen Streitkräfte in Europa üben. Präsident Clinton verwies auch auf die Politik der NATO im Hinblick auf die Stationierung von Nuklearwaffen, wie sie am 10. Dezember 1996 vom Nordatlantikrat formuliert wurde, daß die NATO-Mitglieder "keine Absicht, keinen Plan und keinen Grund" zur Stationierung von Nuklearwaffen auf dem Territorium von Staaten haben, die jetzt Mitglied des Bündnisses sind, und auch keine zukünftige Notwendigkeit dafür sehen. Präsident Clinton verwies auf die Bereitschaft der NATO, einen spezifischen Hinweis auf diese Politik in das von der NATO und Rußland verabschiedete Dokument einzubeziehen. Präsident Jelzin sprach sich für eine Einbeziehung eines solchen Hinweises in das Dokument aus.
Die Präsidenten waren sich einig, daß sich die Vereinigten Staaten, Rußland und ihre Partner in Europa mit zahlreichen gemeinsamen Sicherheitsbedrohungen konfrontiert sehen, die am besten durch Zusammenarbeit zwischen allen Staaten des euroatlantischen Raums angesprochen werden können. Sie verpflichteten sich zur Intensivierung ihrer Bestrebungen, auf dem bei ihren Treffen in Helsinki erarbeiteten gemeinsamen Terrain aufzubauen, um die Effektivität der europäischen Sicherheitsinstitutionen zu verbessern, einschließlich des in dieser Erklärung enthaltenen Abschlusses von Abkommen und Vereinbarungen.