Ausgabe März 1997

Euro-Souveränität

Noch vor einem Jahr glaubte Europa so gut wie einhellig an die Unausweichlichkeit der geplanten Einheitswährung. Heute sieht die Sache anders aus. Genauer gesagt, man vertraut nicht mehr darauf, daß der Euro pünktlich und unter den derzeit geltenden, im wesentlichen von der deutschen Bundesbank inspirierten Voraussetzungen kommen wird.

Aber werden, wenn man diese Kriterien nicht akzeptiert, die Deutschen ihrerseits dennoch den Euro annehmen? Man kann vernünftigerweise davon ausgehen, daß es tatsächlich einen Euro geben wird, aber unter größerem Einfluß seitens der Politik als im gegenwärtigen Programm vorgesehen.

So wollen es die Franzosen. Hans Tietmeyer hingegen, Chef der Bundesbank, erklärt "Vertrag ist Vertrag" und zitiert seinen Vorgänger KarlOtto Pöhl mit der Äußerung, eine unabhängige Zentralbank sei Kernelement der Einheitswährung. Durchaus möglich also, daß die Ankunft der neuen Währung vertagt wird - aufgrund einer skandalös verspäteten Anerkennung der Probleme, welche die Versöhnung der von den beiden wichtigsten Euro-Gründungsmitgliedern verfochtenen Positionen aufwirft. Wenn die positiven Szenarien sich bewahrheiten, wird die Einheitswährung wahrhaft dramatische Veränderungen bewirken: Der Euro als mächtiger Rivale des Dollar im internationalen Handel und Finanzverkehr, vielleicht als sein Nachfolger. Rohstoff- und Energiehandel vielleicht auf Euro- statt auf Dollarbasis, möglicherweise auch andere Güter.

März 1997

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