"Krieg in Europa", "der europäische Krieg" - in Buch- und Aufsatztiteln des Jahres 1991 ist noch das Erschrecken darüber zu spüren, daß Menschen wie wir, die über ein Wohnzimmer mit Video und Couchgarnitur verfügen, von Beruf Elektriker oder Englischlehrerin sind, unter Umständen einmal mit zwei Plastiktüten von Benetton vor ihren brennenden Einfamilienhäusern stehen können, ähnlich, aber doch viel bedrohlicher, als wir es von Fernsehbildem aus Vietnam oder Somalia kennen. Fruchtbar ist dieses Erschrecken über den Krieg im früheren Jugoslawien dann aber nicht geworden.
Schon bald setzte der mediale Nachhilfeunterricht über "Balkanvölker" und ihre Geschichte ein und tröstete uns damit, daß sich hinter der westlichen Fassade des Südslawen ein primitiver Stammeskrieger verbirgt. 1991, als die Jugoslawische Volksarmee kroatische Städte beschoß und einnahm, wollten viele noch an einen Krieg zwischen Zivilisation und Barbarei glauben. Als zwei Jahre später in Bosnien Kroaten und Muslime einander bekämpften und klar wurde, daß der Konflikt sich nicht über die Grenzen des früheren Jugoslawien ausbreiten würde, konnte in Europa auch das geistige containment erfolgreich abgeschlossen werden: Der "Herd" war politisch und kulturhistorisch eingekapselt.