Die Revolution von 1848/49 galt nicht nur der Durchsetzung freiheitlicher Regierungsformen in der europäischen Staatenwelt; sie war zugleich ein erster Höhepunkt der nationalen Bewegungen in Europa, die sich gegen die überkommenen dynastischen Herrschaftssysteme richteten und die Schaffung eines Europa freiheitlicher Nationalstaaten als ihr ideales Ziel proklamierten. Der große Prophet eines nationalstaatlichen Europa freier Völker war Guiseppe Mazzini, der seine visionäre Botschaft nicht zuletzt mithilfe der Geheimgesellschaften des "jungen Europa" unter Intellektuellen verbreitet hatte. In mancher Hinsicht nahm Mazzini bereits die Ideen Woodrow Wilsons vorweg, der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges versucht hatte, das nationale Selbstbestimmungsrecht zur Richtschnur einer grundlegenden Neuordnung Europas zu erheben, mit dem Ziel, den Weltfrieden auf einige Dauer zu sichern. Auch wir stehen heute noch in der Tradition dieses großen Entwurfs eines Europas demokratischer Nationalstaaten, obschon dieser damals gescheitert ist. Auch wenn wir uns gegenwärtig anschicken, das Europa freier Nationen, welches sich nach dem Zweiten Weltkrieg gebildet und mit der großen Wende von 1989 seine Vollendung gefunden hat, mit einer europäischen Kuppel zu überwölben, bleiben doch die demokratisch verfaßten Nationalstaaten als seine Bauelemente weiterhin von großer Bedeutung.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.