"Historisches Ereignis". So abgedroschen diese Formulierung wegen ihrer inflationären Verwendung auch klingen mag, in diesem Fall trifft sie zu. Vor dem Hintergrund der modernen Rechtsgeschichte, die vor 2000 Jahren in Rom ihren Anfang nahm, oder auch nur der Entwicklung des Völkerrechts seit Beginn dieses Jahrhunderts ist die Schaffung eines für Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Angriffskrieg zuständigen internationalen Strafgerichtshofes (ICC) ein historisches Ereignis. Vergleichbar mit der Gründung des Völkerbundes 1919 oder der Verabschiedung der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" vor 50 Jahren. Zwar treffen sämtliche Kritikpunkte von Menschenrechtsorganisationen, Internationalem Roten Kreuz oder Anwaltsvereinigungen an den zahlreichen Schlupflöchern und Schwachpunkten des Mitte Juli in Rom verabschiedeten ICC-Statuts völlig zu. Und mit Blick auf künftige Revisionen des Statuts ist diese Kritik auch weiterhin dringend notwendig. Dennoch gilt festzuhalten: das Ergebnis der Staatenkonferenz von Rom ist besser als der Papiertiger, der vor allem wegen des Verhaltens der USA vor und während der fünfwöchigen Verhandlungen zu Recht befürchtet werden mußte.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.