Skandale und Krisen bergen immer auch die Chance zur Besinnung und zum Neuanfang. Der Bedarf nach solchen kathartischen Prozessen könnte in der europäischen Politik momentan nicht größer sein. Seit Monaten steht die Europäische Kommission in den Schlagzeilen, und zwar nicht wegen eines erfolgreichen Managements der gewaltigen politischen Aufgaben - Reform zentraler Politikbereiche, neue Finanzarchitektur und Osterweiterung -, sondern wegen einer nicht enden wollenden Kette von Enthüllungen über Betrügereien. Bereits seit Beginn der 90er Jahre mehrten sich die Berichte über Unregelmäßigkeiten, Betrug und die Verschwendung von EU-Geldern. Schon 1989 hatte man auf Druck des Europäischen Parlamentes im Generalsekretariat der Kommission eine zentrale Koordinierungseinheit für die Betrugsbekämpfung (UCLAF) eingerichtet, deren Ressourcen 1994 - wieder aufgrund parlamentarischen Drucks - erheblich erweitert wurden. Trotz eines jährlich vorgelegten Arbeitsprogramms der Kommission, die inzwischen auch einen integrierten Ansatz zur Korruptionsbekämpfung entwickelte, 1) war eine Entschärfung des interinstitutionellen Konfliktes nicht festzustellen.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.