Skandale und Krisen bergen immer auch die Chance zur Besinnung und zum Neuanfang. Der Bedarf nach solchen kathartischen Prozessen könnte in der europäischen Politik momentan nicht größer sein. Seit Monaten steht die Europäische Kommission in den Schlagzeilen, und zwar nicht wegen eines erfolgreichen Managements der gewaltigen politischen Aufgaben - Reform zentraler Politikbereiche, neue Finanzarchitektur und Osterweiterung -, sondern wegen einer nicht enden wollenden Kette von Enthüllungen über Betrügereien. Bereits seit Beginn der 90er Jahre mehrten sich die Berichte über Unregelmäßigkeiten, Betrug und die Verschwendung von EU-Geldern. Schon 1989 hatte man auf Druck des Europäischen Parlamentes im Generalsekretariat der Kommission eine zentrale Koordinierungseinheit für die Betrugsbekämpfung (UCLAF) eingerichtet, deren Ressourcen 1994 - wieder aufgrund parlamentarischen Drucks - erheblich erweitert wurden. Trotz eines jährlich vorgelegten Arbeitsprogramms der Kommission, die inzwischen auch einen integrierten Ansatz zur Korruptionsbekämpfung entwickelte, 1) war eine Entschärfung des interinstitutionellen Konfliktes nicht festzustellen.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.