Als Henning Scherf am 22. September vor den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts trat, unternahm er einen charmanten Versuch, die Herzen der Richter zu rühren. Er faltete die Hände vor der Brust und appellierte inständig an die sechs anwesenden Richter, "seinem" Bremen zu helfen. Dann schoss der Bürgermeister doch noch ein paar Giftpfeile ab gegen jene, die in Karlsruhe eine Reduzierung ihres Beitrags zum Länderfinanzausgleich erreichen und damit Bremen schaden wollen. Angesichts der Klage Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens stelle sich die Frage, ob hier durch Aushungern eine Länderneugliederung erzwungen werden solle. Der SPD-Mann bissig: "Außer Napoleon und Hitler hat uns noch keiner die Selbständigkeit bestritten." Bremen, der kleinste der Stadtstaaten, ist im Grunde ein Kuriosum des Föderalismus. Mit rund 700 000 Einwohnern steht es Riesen wie Nordrhein-Westfalen (18 Mio.) und Bayern (mehr als 12 Mio.) gegenüber - und hat doch immerhin halb so viel Stimmen im Bundesrat wie die großen Länder, nämlich drei. Jene, die an Stelle des kooperativen lieber einen kompetitiven Föderalismus sähen, fokussieren denn auch ihre Kritik auf die alte Hansestadt oder wahlweise auf das Saarland: dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen, zu klein, um selbst bestehen zu können.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.