Was ist alltäglicher als die Klagen über die Demokratiedefizite der Europäischen Union: die mangelnden Kompetenzen des Europäischen Parlamentes; die Nichttransparenz der Gesetzgebungsarbeit des Rates; die Expertokratie und Lobbyismusabhängigkeit der Kommission. Die Klagen sind allesamt so notorisch wie berechtigt. Aber die Forderungen, die an sie geknüpft zu werden pflegen, offenbaren in fast allen Fällen ein erschreckendes Ausmaß an Unkenntnis der Unionsverfahren wie der Unionsinstitutionen. Natürlich können Informationsdefizite abgestellt werden, besonders angesichts der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, die die moderne Informationstechnik dafür bereit hält! Aber das Informationsdefizit ist lediglich Symptom eines viel tiefer liegenden Problems, das durch das erschreckend niedrige Niveau der Beteiligung an der letzten Europawahl zum Vorschein kam: das fehlende öffentliche Bewußtsein dafür, daß es sich bei der Europäischen Union um eine politische Initiative handelt, bei der es um nichts Geringeres geht als die Zukunft der Demokratie in Europa. Deren Vergangenheit war nationalstaatlich. Die Zukunft der Demokratie, auch die der nationalstaatlichen, wird supranational sein - oder sie wird gar keine Zukunft haben.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.