Ausgabe September 1999

Iran: Erosion des Machtgefüges

Die Fundamentalisten in Iran haben es in den vergangenen 20 Jahren geschafft, nahezu alle staatlichen Institutionen zu durchsetzen. Ihr Einfluß reicht über Armee und Polizei nebst den Schlägertrupps der Ansar-e Hisbollah (Anhänger der Partei Gottes), Geheimdienste, Justiz und Medien bis weit in die Privatsphäre der meisten Iraner. Und dennoch erlitten die religiösen Dogmatiker bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 1997 eine herbe politische Niederlage. Obwohl die Fundamentalisten alles in Bewegung setzten, um ihrem Frontmann Nateg Nuri durchzubringen, siegte mit breiter Mehrheit Mohammad Chatami. Ihn, der als vergleichsweise moderat und weltoffen gilt, unterstützten vor allem Frauen, junge Menschen und Intellektuelle. Seit dem Sieg Chatamis beherrscht der Machtkampf zwischen den radikalen Islamisten und gemäßigten Kräften die politische Szenerie des Landes. Mit Chatami, dem ersten frei gewählten Präsidenten der Islamischen Republik Iran, begann eine neue Ära. Das Wahlresultat machte deutlich, daß die Menschen trotz langjähriger Demütigungen und Bevormundungen seitens einer zeitfremden Führung imstande sind, ihrem Unmut Luft zu machen. Chatami übernahm mit seinem Versprechen, eine andere Politik zu verfolgen und eine freiere Gesellschaft zu schaffen, allerdings keine allzu leichte Aufgabe.

September 1999

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