Ausgabe Juni 2001

Wer wir sind und wer zu uns gehört

Die Nation eines Einwanderungslandes

Wahrscheinlich gibt es nur wenige Länder, wo sämtliche fremden Zuwanderer derart pauschal entweder abgelehnt oder aber begrüßt werden, wie das in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande der Fall war. Während die Mehrheit der Deutschen die sogenannten Ausländer in ihrer Gesamtheit für eine Belastung hielt, versteifte sich eine Minderheit darauf, in jedem Ausländer eine Bereicherung sehen zu wollen. Angesichts der Heftigkeit dieser Debatten fiel gar nicht auf, dass die Kontrahenten sich in einer Prämisse völlig einig waren. Sie stimmten nämlich darin überein, dass die Ausländer nicht zu "uns" gehören. Strittig war nur die Funktion, die sie für "uns" haben sollten, ob sie uns ausnützen oder uns nützen. Dieser Konsens kommt schon in der Sprachregelung zum Ausdruck, die seit Jahrzehnten unangefochten herrscht. Kaum jemand nahm und nimmt daran Anstoß, dass Menschen, die manchmal bereits in der dritten Generation im Lande sesshaft sind, die möglicherweise inzwischen sogar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, weiterhin als "Ausländer" bezeichnet werden. Natürlich gehören "Ausländer" nicht zu "uns". Und wer nicht zu "uns" gehört, ist natürlich ein "Ausländer".

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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