Ausgabe Februar 2002

Die paradoxe Modernität der Albaner

Auch in seriösen Publikationen kann man neuerdings von einer "albanischen Frage" lesen. Die Vorstellung drängt sich tatsächlich auf. Seit mehr als zehn Jahren werden auf dem Balkan Kriege um die Entstehung von Nationalstaaten geführt, und im Südwesten der Halbinsel lebt eines der größten Völker der Region verteilt auf inzwischen vier oder fünf Staaten und staatsähnliche Einheiten. Die drei letzten gewaltsamen Konflikte auf dem Balkan - in Mazedonien, Südserbien und im Kosovo - wurden um albanische Probleme ausgefochten, und kaum jemand glaubt, dass die Gewalt nun wirklich vorbei ist. Aber bei allen diesen Konflikten geht es nicht um die "albanische Frage", sondern um eine andere, noch ernstere und gefährlichere, die sich mit Krieg oder neuen Grenzziehungen nicht lösen lässt: um die Frage nach der Funktion der neuen Balkanstaaten.

Auf den ersten Blick gleichen die albanischen Konflikte des Südbalkans den vergangenen weiter nördlich: Eine politische Elite will, aus welchem Grund und Anlass auch immer, ihren eigenen, "ethnisch reinen" Staat und mobilisiert zu diesem Zweck nationalistische Emotionen, auf paradoxe Weise unterstützt von einer täppisch auftrumpfenden Zentralgewalt, die mit ihren hysterischen Reaktionen den Brand noch befeuert, statt ihn zu löschen.

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