Die turbulente Abstimmung im Bundesrat und der mit Kraft losgetretene Wahlkampf lassen es in den Hintergrund treten: Deutschland belegt bei Regelungen des humanitären Zuwanderungsrechts im internationalen, vor allem europäischen Vergleich bereits jetzt einen der hinteren Plätze. Inhaltlich stritten die bundesdeutschen Parteien zuletzt noch um Familienzusammenführung sowie nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe. Die kleinkarierte Debatte um das Nachzugsalter und die vom neuen Gesetz vorgesehene Zwölf-Jahres-Grenze lässt Deutschland in der Tat hinter den europäischen Nachbarn herhinken. Umgekehrt die Diskussion um die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe: Hier hat das im Bundesrat mit knapper (und weiterhin umstrittener) Mehrheit verabschiedete Gesetz erstmals den Anschluss an europäische, ja internationale Standards gesucht. Für beide Aspekte bestehen längst europäische Richtlinienvorschläge zur Angleichung der nationalen Regelungen. Sie betonen sowohl den Flüchtlings- als auch den Familienschutz in sehr viel stärkerem Maße als das bestehende deutsche Recht.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.