Ausgabe November 2003

Kein Maulkorb für den Staatsanwalt

Vom Nutzen italienischer Verhältnisse in der Justiz

Seit Jahren, Jahrzehnten schon suggerieren Meldungen aus Italien einen verheerenden Zustand der dortigen Justiz, viele Prozesse dauern zu lange und durchlaufen oft genug wegen Geringfügigkeiten auch noch alle Instanzen.

Doch in der letzten Zeit betreffen die veröffentlichten Klagen einen Justizapparat, der von Staatsanwälten durchsetzt sei, die ihre "Kompetenzen überschreiten" und "sich anmaßen", wie es heißt, "Politik zu machen". Jüngste Steigerung ist Silvio Berlusconis nunmehr nur noch irrational geprägte Schimpfe, alle italienischen Staatsanwälte und Richter1 seien "geistesgestört und verrückt". Vor allem deshalb – so heißt es auch noch in diesem Zusammenhang – seien dringend Reformen von Nöten.

Völlig andere Reformen hält Felice Casson für nötig. Er ist einer der Staatsanwälte, denen vorgeworfen wird, Politik zu machen und damit zu viel Macht an sich zu reißen.

Ganz Italien kennt ihn, er packt heiße Eisen an und erlangte 1990 erste Berühmtheit, als er durch Ermittlungen im Fall eines rechtsterroristischen Bombenanschlags Hochbrisantes aufdeckte. "Es war der erste Fall, mit dem sich deutlich die Autonomie der Staatsanwaltschaft durchsetzte", sagt Casson. "Ich war damals Untersuchungsrichter und gerade in der Staatsanwaltschaft angekommen.

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