Zu den scheinbaren Paradoxien in Frankreich zählt, dass – auf Grund des Mehrheitswahlsystems und der Dominanz der Nationalversammlung gegenüber der zweiten Kammer, dem Senat – zumeist klare Mehrheitsverhältnisse herrschen, zugleich aber soziale Bewegungen und Konflikte eine wirksame Gegenmacht darstellen und die Regierung zu Kompromissen zwingen, ja ihre Projekte zum Scheitern bringen können. Dies gilt auch und umso mehr, wenn erdrutschartige Wahlerfolge zu Zweidrittel- oder gar Dreiviertel-Mehrheiten führen, die die Opposition parlamentarisch marginalisieren.
So war es 1968, als General de Gaulle die Mai-Bewegung durch Verhandlungen mit den Gewerkschaften und Neuwahlen auskonterte, die in einer regelrechten Angstwahl den Gaullisten eine erdrückende Mehrheit einbrachten. Aber der Schock des Mai 1968 wirkte ebenso nach wie der Veränderungsdruck, und die ultrakonservative Parlamentsmehrheit musste so manche progressive Reform passieren lassen, die die Gewerkschaften zuvor der Regierung abgetrotzt hatten.
1993, nach dem politischen und moralischen Debakel der regierenden Linken, eroberten die Rechtsparteien eine ebenso überwältigende Mehrheit.