Ausgabe Mai 2004

Wahlkampf mit der Homoehe

Bill Clinton war gerade im Amt, da vollbrachte er bereits seinen ersten kapitalen Fehler: Bevor er eine Politik auf den Weg brachte, die das Mainstream- Amerika zufrieden stellte (und dazu zählten damals wie heute soziale Fragen wie eine "Krankenversicherung für alle"), setzte er sich für die offene Anerkennung von Homosexuellen in der US-Armee ein. Nicht diese Anerkennung selbst war der Fehler, sondern das schlechte Timing. Denn die seit Jahrzehnten überfällige, nun aber überstürzt wirkende Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Soldaten konnte Clinton, damals noch ein unbeschriebenes Blatt, von konservativen Gegnern als ein radikales Minderheitenthema angehängt werden – und machte ihn zum nachhaltigen Feindbild eines in Teilen immer noch zutiefst homophoben Amerika.

George W. Bush könnte gerade denselben Fehler begehen. Ende Februar kündigte er in einer kurzen Rede im Weißen Haus an, er werde eine Verfassungsänderung unterstützen, die samesex marriages, Eheschließungen zwischen Homosexuellen, ein für alle Mal unterbindet. Ob er damit nur seine kulturkonservative Basis zufrieden stellen will oder von der Notwendigkeit einer so drastischen Maßnahme tatsächlich überzeugt ist, sei dahingestellt, aber man darf annehmen, dass er damit gleich zum Auftakt des Wahlkampfes einem gravierenden Irrtum unterliegt. Zwar ist nach jüngsten Umfragen eine satte Mehrheit der Amerikaner gegen gleichgeschlechtliche Ehen.

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