Die Referenden in Frankreich und den Niederlanden sprechen für den Erfolg der europäischen Integrationspolitik der letzten fünfzig Jahre. Die Integration der EWG und später dann der EU wurde von Spezialisten betrieben, mit dem Ziel der Realisierung einer europäischen Gesellschaft, also der schrittweisen Involvierung der Bevölkerung in das Projekt Europa. Der Erfolg dieser Politik stellt sie nun selbst in Frage. Denn indem die Bürger zunehmend mit ins Spiel kommen, entwächst das Projekt Europa dem Modus der Spezialistenpolitik.1
Der Erfolg der bisherigen EU-Politik führt also dazu, dass sie ihren Operationsmodus wechseln muss: Von Spezialistenpolitik zur Involvierung der Wählerinnen und Wähler, von diplomatischer Arbeit an der Institutionenmechanik der EU zu Gesellschaftspolitik, von peripher wahrgenommener Außenpolitik zu emotional stark besetzter Innenpolitik, von benevolenter Stellvertreterpolitik zur unmittelbaren Berücksichtigung der Interessen der Wahlbevölkerungen, womit zugleich die "bisher ,stille Regulierungspolitik’ in eine ,laute Umverteilungspolitik’ übergeht."2 Dieser Wandel zeichnet sich seit dem Ende der 90er Jahre ab. Seine Hauptkonsequenz wurde von den politischen Akteuren bis heute nicht verstanden: Indem die Bevölkerung ins Spiel kam, gerieten die EU-Spezialisten zu ihr in Gegensatz.