Ausgabe September 2006

Labile Ruhe im Libanon

Erklärung zum Krieg im Libanon von Tariq Ali, Noam Chomsky, Eduardo Galeano, Howard Zinn, Ken Loach, John Berger, Arundhati Roy u.v.a. vom 3. August 2006 (Wortlaut)

Der von den USA unterstützte Angriff auf den Libanon hat das Land erstarrt, schwelend und zornig zurückgelassen. Das Massaker von Qana und der Verlust von Menschenleben ist nicht einfach nur „unangemessen“. Es ist, nach den geltenden Regeln des internationalen Rechts, ein Kriegsverbrechen.

Die absichtliche und systematische Zerstörung der libanesischen Infrastruktur durch die israelische Luftwaffe war ebenfalls ein Kriegsverbrechen, geplant, um das Land auf den Status eines US-Protektorates zu reduzieren. Der Anschlag ist nach hinten losgegangen. Im Libanon unterstützen nun 87 Prozent der Bevölkerung den Widerstand der Hisbollah, einschließlich 80 Prozent der Christen und Drusen sowie 89 Prozent der Moslems, während 8 Prozent glauben, die USA unterstützten den Libanon. Aber diese Aktionen werden von keinem Gericht der „internationale Gemeinschaft“ untersucht, solange die USA und ihre Alliierten an diesen schrecklichen Verbrechen beteiligt oder mitschuldig sind und sie zulassen.

Es ist nun klar geworden, dass der Angriff auf den Libanon, um die Hisbollah auszulöschen, von langer Hand vorbereitet worden ist. Die USA und seine loyalen britischen Alliierten haben grünes Licht für die israelischen Verbrechen gegeben, trotz der Opposition zu Blair in seinem eigenen Land.

Kurz: Der Friede, den der Libanon genossen hat, wurde beendet und eine paralysierte Gesellschaft ist gezwungen, eine Vergangenheit zu wiederholen, die sie eigentlich vergessen wollte. Der dem Libanon auferlegte Staatsterror wird im Ghetto von Gaza wiederholt, während die „internationale Gemeinschaft“ zusieht und schweigt. In der Zwischenzeit wird der Rest Palästinas mit der direkten Teilnahme der USA und der stillschweigenden Zustimmung seiner Alliierten annektiert und demontiert.

Wir erklären unsere Solidarität und Unterstützung den Opfern dieser Brutalität und denen, die dagegen Widerstand leisten. Für unseren Teil werden wir alle uns möglichen Anstrengungen unternehmen, die Komplizenschaft unserer Regierungen mit diesen Verbrechen aufzudecken. Es wird keinen Frieden im Nahen Osten geben, solange die Besetzung Palästinas und des Irak und die „kurzzeitig unterbrochenen“ Bombardements auf den Libanon andauern.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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