Ausgabe November 2007

Adenauers Urenkelin

Nachdem die SPD soeben in Hamburg ihr neues Parteiprogramm verabschiedet hat, wird die CDU es ihr in einem Monat in Hannover gleichtun. Doch was der SPD erst nach schweren Mühen und diversen Rückrufaktionen gelang, dürfte die Union spielend bewerkstelligen – in großer Geschlossenheit ein Programm zustande zu bringen, um dieses umgehend wieder zu vergessen. Viel zu sehr wird in der CDU alles dem Pragmatismus des Regierungshandelns untergeordnet, als dass ihr gegenwärtiges Parteiprogramm „Freiheit in Verantwortung“ aus dem Jahre 1994 heute noch irgendeine Rolle spielte.

Dass der Union die Programmverabschiedung derartig leicht fällt, basiert jedoch nicht nur auf den unterschiedlichen Traditionen beider Parteien, sondern vor allem auf der gegenwärtigen Situation. Die Voraussetzungen könnten unterschiedlicher kaum sein: Während die SPD seit Monaten im 20- Prozent-Keller steckt, rangiert die Union gut zehn Prozentpunkte über ihr.1 Eine Bilanz nach gut zwei Jahren großer Koalition, die mehr als erstaunlich ist – angesichts eines Wahlausgangs, der für die Union ein Debakel bedeutete. Bekanntlich erreichte die Kandidatin mit nur 35 Prozent der Stimmen und hauchdünnem Vorsprung auf Gerhard Schröder geradeso ihr Minimalziel, nämlich die eigene Kanzlerschaft, trotz zeitweilig horrender Umfragemehrheiten für Schwarz-Gelb.

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