Ausgabe November 2007

Ukrainischer Karneval

Am 30. September 2007 waren 37 Millionen Ukrainer zur Wahlurne gerufen – schon zum vierten Mal binnen drei Jahren. Diesmal standen, erstmals seit der Unabhängigkeit 1991, vorgezogene Neuwahlen zum Parlament an. Die Wähler waren „müde“, ihre Beteiligung mit 62 Prozent schwach, und ihr Votum hat die Krise des Landes nicht behoben.1 Leonid Radsichowski, Moskaus Starpolitologe und ehemaliger Duma-Abgeordneter, beurteilte die Wahl anschließend dennoch positiv: Die Ukrainer haben mehrere Parteien, die in Größe und Einfluss vergleichbar sind, dazu unabhängige Medien, Meinungsfreiheit, gezähmte Oligarchen und anderes, was es „in Russland bekanntlich nicht gibt“. Ergo: „In der Ukraine herrscht eine unreife parlamentarische Demokratie, bei uns hingegen ein unausgereiftes autoritäres Regime.“2

Bei den letzten Parlamentswahlen, am 26. März 2006, schafften fünf Parteien den Sprung über die Drei-Prozent- Hürde: auf der einen Seite die Partei der Regionen (PR) unter Premier Wiktor Janukowitsch (32 Prozent/186 Sitze), die Kommunistische Partei (KPU, 3,6/21) und die Sozialistische Partei (SP, 5,7/33), welche gemeinsam die Regierung bildeten.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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