Nach über einem halben Jahr Stillstand hat unser Nachbarland Belgien seit Weihnachten wieder eine Regierung. Rechtzeitig zum Fest präsentierte der alte und neue Premierminister Guy Verhofstadt eine Übergangsmannschaft, die bis Ostern eine Reihe liegen gebliebener Regierungsgeschäfte erledigen soll. Seitdem ist es ruhiger geworden um das Königreich. Doch diese Ruhe trügt: Die jüngsten Probleme sind mit dem aktuellen Provisorium noch lange nicht überwunden. Sie basieren auf dem Antagonismus der beiden großen belgischen Sprachgruppen, der niederländischsprachigen Flamen im Norden des Landes und der frankophonen Wallonen im Süden.
Nach wie vor steckt Belgien in einer Krise seines politischen Systems, wie es sie in dieser Vehemenz seit den 60er Jahren nicht mehr gegeben hat. Deutlich wurde das nicht erst mit dem wiederholten Platzen der Koalitionsverhandlungen über eine reguläre, Sprachen übergreifende Mitte-Rechts-Regierung auf Bundesebene. Die Gründe für die innerbelgische Zerrüttung, die sich in der aktuellen Lage widerspiegelt, sind tief verwurzelt und reichen weit über das hinaus, was gerne euphemistisch als Sprachenstreit zwischen den rund sechs Millionen Flamen und den vier Millionen frankophonen Belgiern bezeichnet wird. Es geht vielmehr um nationale Identität, Macht und nicht zuletzt um viel Geld.