Der jüngste National Intelligence Estimate (NIE), das gemeinsame Dokument aller 16 US-Geheimdienste über den atomaren Status des Iran (vgl. die Dokumentation in diesem Heft – d. Red.), wirkt so, als sei inmitten der Sümpfe von Carolina plötzlich ein klarer Quell entsprungen.
Der Kontrast könnte krasser nicht sein: die Klarheit, die Professionalität und das unverkennbare Bemühen um Exaktheit in diesem Bericht, verglichen mit dem Schwulst, den Verdrehungen und Phrasen, der Heuchelei und den offenen Lügen, die die öffentliche Debatte Amerikas über die Nah- und Mittelostpolitik im vergangenen Jahrzehnt ganz überwiegend kennzeichneten – was, dank Washingtons Einfluss, für den größten Teil der westlichen Welt ebenso gilt. Wie konnte es dazu kommen?
Wie es scheint, liegt der neue NIE intern schon seit vergangenem Sommer vor. Zwischen den Leuten des Präsidenten und denen Dick Cheneys sowie den überlebenden Neocons im Regierungsapparat muss erbittert um den Umgang mit diesem Dokument, seine Änderung oder Unterdrückung, gekämpft worden sein. Obwohl der Bericht innerhalb der Regierung bereits umlief, fuhr der Präsident ungerührt fort, das (nicht vorhandene) Atomwaffenprogramm des Iran anzuprangern, ja sogar einen Dritten Weltkrieg zu beschwören.