Ausgabe Februar 2010

Goethes Liebe zum Islam

Manchmal möchte man der Geschichte an bestimmten Punkten die Frage vorlegen: „Was wäre gewesen, wenn..?“ In diesem Falle: Was wäre aus Deutschland geworden, wenn wir im 19. Jahrhundert auf Goethe gehört, seine weltbürgerlichen Toleranzbotschaften gelesen, ernst genommen und zur Richtschnur des Politischen zwischen Weltbürgertum und Nationalstaat genommen hätten? Oder ganz aktuell: Was würde sich an der zukünftigen Geschichte der Schweiz ändern, wenn ihre über den Bau von Minaretten abstimmenden und sich dabei fremden- und islamfeindlich positionierenden Bürgerinnen und Bürger von ihrer und unserer Ikone Johann Wolfgang von Goethe als selbsterklärtem Muslim wüssten?

Der war am 25. Juli 1814 – Napoleon hatte abgedankt, der Frieden von Paris war geschlossen, ein Aufatmen ging durch die deutschen Lande – zu Freunden an Rhein und Main aufgebrochen, hatte als Reiselektüre die soeben übersetzten „sämmtlichen Gedichte des Hafis“ (gest. 1389) mitgenommen, die ihm sein Verleger Cotta im Mai geschenkt hatte. Diese Begegnung mit altpersischer Dichtung veränderte die Perspektive dieser Reise, machte aus ihr eine Orientreise zur „Gewältigung“ der jüngsten kriegerischen Vergangenheit; sie führte zur Entdeckung einer heilenden Gegenwelt im „Lande des Glaubens, der Offenbarungen, Weissagungen und Verheißungen.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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