Ausgabe März 2010

Ende eines Jahrhundertmythos?

Ketzerische Gedanken über Vergangenheit und Zukunft des Sozialismus

Zum 70. Geburtstag von Rudi Dutschke (7. März 1940 – 24. Dezember 1979)

Vor 20 Jahren haben die osteuropäischen Völker „ein Jahrhundert abgewählt“ (Timothy Garton Ash). Das „Gespenst des Kommunismus“, das zu Zeiten von Marx und Engels „in Europa umging“, ging innerhalb weniger Monate unter – wobei der triumphale Sieg von Helmut Kohls „Allianz für Deutschland“ bei den letzten DDR-Volkskammerwahlen im März 1990 nur einen Zwischenakkord darstellte.

„Was bleibt vom Sozialismus?“, fragten sich seither all jene, für die dieser Begriff nicht nur ein Weltbild konstituiert hat, das jetzt in Scherben lag, sondern auch ein bestimmendes Element ihrer politischen Biographie und Arbeit gewesen ist. Für die „Sieger” im Systemkampf und ihr multimediales Dienstpersonal war die Antwort dagegen klar: Man kann den Sozialismus abschreiben. Mit den „real existierenden Sozialismen” habe sich, verkündeten sie, auch Idee, Utopie, Ethik, Menschenbild und Programm des Sozialismus für alle Zeiten erledigt.

Sie haben etwa 2% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 98% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.