Ausgabe November 2015

Im Endspielmodus

Siegt sich der Kapitalismus tatsächlich zu Tode?

In einem glänzenden Essay, der im Frühjahr dieses Jahres in zwei Folgen in den „Blättern“ erschien,[1] analysiert Wolfgang Streeck die Entwicklung des Kapitalismus seit der Mitte der 1970er Jahre und wagt eine Prognose über den weiteren Lauf der Dinge. Die Verflechtung dreier Langzeittrends – Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums, Anstieg der Gesamtverschuldung, zunehmende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen – weise schon rein ökonomisch in die Richtung einer chronisch werdenden Krise der Kapitalakkumulation. Vermeintliche Auswege wie die Politik der unbegrenzten Geldversorgung oder der Prozess der Finanzialisierung verschärften die Krise in Wahrheit nur, indem sie sie teils, und ohne echten Lösungsansatz, vertagten, teils bloß in andere Sektoren exportierten – mit wachsendem Crashpotential. Platzende Blasen wie die der New Economy zur Jahrhundertwende oder des Hypothekenmarkts ab 2008 mit nachfolgender Beinahe-Kernschmelze des globalen Finanzsystems hätten kein Umsteuern bewirkt. Zu verzeichnen sei vielmehr forciertes Weitermachen in ökonomischer und politischer Hinsicht, zuzüglich einer fortschreitenden Entdemokratisierung gesellschaftlich höchst relevanter Entscheidungsprozesse.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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