Der Zerfall der postsowjetischen Gesellschaft
Die Ukraine kommt nicht zur Ruhe. Im Osten des Landes bleibt der Waffenstillstand äußerst fragil. Nachdem Mitte September die Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands über die Krise beraten haben, treffen Anfang Oktober die Regierungschefs dieser Länder im sogenannten Normandie-Format zusammen, um noch einmal über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Derweil streiten die politischen Parteien in Kiew über die geplante größere Autonomie für die Regionen. Diese Zerreißprobe ist umso brisanter, je stärker die geopolitische Dimension des Konflikts hervortritt. Dabei geht es nicht nur um die Rolle Russlands und die Frage, wer die Hauptschuld an der verfahrenen Lage trägt. Vielmehr droht in vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Eskalation vergessener oder eingefrorener Konflikte wie im 1992 von Moldawien abgespaltenen Transnistrien. Im südlichen Kaukasus wiederum wirken ungelöste Konflikte in Georgien (Abchasien, Südossetien) sowie der Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach destabilisierend. Und der russische Nordkaukasus ist seit den Kriegen in Tschetschenien (1994 bis 1996 und 1999 bis 2009) dauerhaft in eine militarisierte Ausnahmezone verwandelt worden. Dabei handelt es sich keineswegs um voneinander isolierte Phänomene, denn die kulturellen, ökonomischen und politischen Beziehungen zwischen diesen Ländern sind nach wie vor sehr eng.