Die jüngsten Wahlen vom 24. Juni hätten niemals in dieser Form stattfinden dürfen. Die Mindestvoraussetzungen für einen fairen, demokratischen Urnengang waren schlicht nicht gegeben. Ein Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdoğan brachte das auf Twitter gut auf den Punkt: „Unser Führer lässt keine Wahl abhalten, die er verlieren könnte.“ Die Opposition, allen voran die links-republikanische CHP, hätte die vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom daher von Anfang an als Farce anprangern und boykottieren müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan. Nun muss sie mit einem mehr als deutlichen Ergebnis leben. Amtsinhaber Erdoğan errang schon im ersten Wahlgang 52,6 Prozent, sein stärkster Konkurrent Muharrem Ince von der CHP kam nur auf 30,6 Prozent. Im Parlament verlor Erdoğans AKP zwar ihre absolute Mehrheit, kann sich aber auf die ultrarechte MHP stützen, mit der sie ein Wahlbündnis eingegangen war.
Erstaunlich ist dieser Wahlsieg indes nicht. Eher überrascht die große Enttäuschung bei den Wählern Muharrem Inces, eines ehemaligen Physiklehrers, der binnen Wochen landauf, landab kämpferisch den siegessicheren Erdoğan herausgefordert und für einen kurzen Sommer der Hoffnung gesorgt hat. Viele glaubten tatsächlich, es könne zu einer Stichwahl kommen, die Ince gewinnen würde.