Ausgabe Mai 2018

Das Zeitalter der Niederlagen

Bild: Hanser Verlag

„Ich schreibe seit über achtzig Jahren. Zuerst Briefe, dann Gedichte, Reden, später Geschichten, Aufsätze und Bücher, nun diese Skizze.“ Es ist der erste Satz in „Ein Geschenk an Rosa“, des letzten abgeschlossenen Buchs des vor einem Jahr gestorbenen britischen Schriftstellers, Malers und Booker-Prize-Trägers John Berger. In allen Gattungen brachte der 1926 Geborene Bücher heraus, dazu kamen noch Drehbücher und Theaterstücke, Gemälde und Zeichnungen. Von Anfang an war sein Schreiben politisch. „In der modernen Welt, in der jede Stunde Tausende von Menschen infolge von Politik sterben, kann Schreiben nirgends auch nur im Entferntesten glaubhaft sein, wenn es nicht von politischem Bewusstsein und politischen Prinzipien durchdrungen ist“, schrieb Berger apodiktisch. Dabei richteten sich seine Hoffnungen lange auf einen demokratischen Sozialismus, der immer wieder aufleuchtete, aber auch immer wieder mit Panzern und Granaten zerstört wurde – ob in Prag 1968 oder in Santiago de Chile 1973. Spätestens in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten verdüsterte sich seine Weltsicht, obwohl er stets weiter nach Hoffnungsschimmern suchte: So reiste er ins mexikanische Chiapas, um mit Subcomandante Marcos zu reden, oder er fuhr zu Protesten von Gegnern der real existierenden Globalisierung.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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