Ausgabe Juni 2019

Ungastlich oder gastlich: Der Kampf um den Sinn Europas

Die Wahl zum Europäischen Parlament, insbesondere der erneute Stimmenzuwachs dezidiert anti-europäischer Kräfte, hat die innere Zerrissenheit des Kontinents deutlich zu Tage treten lassen. Scheinbar wenden sich immer größere Teile der europäischen Gesellschaften von den viel zitierten „grundlegenden Werten“ der Europäischen Union ab. Diese historische Krise kommt keineswegs aus dem Nichts, wie ein Blick hundert Jahre zurück deutlich macht.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zweifelten viele Europäer, ob Europa je mehr war und ob es je mehr sein wird als ein geographischer Begriff. Paul Valéry etwa sprach 1919 von Europa als „westlichem Ausläufer Asiens“ und fragte sich, ob Europa je mehr sein können wird als ein Kontinent ohne „ursprüngliche“ und ohne zukünftige Bestimmung. Wie seinerzeit Valéry, so sehen auch wir uns heute dazu gezwungen, nachträglich neu zu bestimmen, wozu die Verflechtung der europäischen Lebensverhältnisse gut sein soll –diesmal aber unter dem Druck der aus dem Innern Europas aufkeimenden antieuropäischen Potentiale. Ausgerechnet derart schwer von der Gewaltgeschichte des 20.

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