Ausgabe Januar 2020

Das unvollendete Triptychon

Ein Buch über Konrad Wolf ist selbst für die von Hans Magnus Enzensberger gegründete, heute von Christian Döring geleitete Andere Bibliothek ungewöhnlich. Die Publikation erzählt nicht allein von Leben und Werk des bedeutenden Filmregisseurs, sondern am Beispiel der deutsch-jüdischen Familie Wolf – ihr gehören auch der Vater und Schriftsteller Friedrich und der Bruder und Geheimdienstchef Markus Wolf an – von Aufstieg und Fall der Sowjetunion und damit vom extrem blutigen Scheitern daran, eine nachkapitalistische Gesellschaft aufzubauen. Geschrieben ist das Buch von keinem Filmwissenschaftler, sondern von der Politikerin und Publizistin Antje Vollmer und dem Liedermacher und Autor Hans-Eckardt Wenzel. Beider Sichtweisen sind nicht zu einer Synthese geführt, beider Texte sind durch unterschiedliches Papier getrennt. Fragen nach dem Scheitern der Linken oder nach dem Verhältnis von Kunst und Politik bewegen das Erzählen beider. Denn: „Wenn wir das historische Denken verlernen, geben wir alle Werkzeuge aus der Hand, um uns den Unerträglichkeiten und Ungerechtigkeiten widersetzen zu können.“ Programmatisch steht das für das Verbindende. Dennoch gibt es Kapitel, die eigenständige Essays sind, aber die Grundform ist kein Potpourri, sondern die eines Triptychons. Ein solches Bild, ob in christlicher oder weltlicher Ausformung, ist stets universell.

Januar 2020

Sie haben etwa 15% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 85% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.