Ausgabe Mai 2020

Das Überleben der »Anderen«: Alter in der Pandemie

Eine ältere Dame mit Mundmaske

Bild: imago images / Max Stein

Kein Thema beherrscht die mediale und politische Debatte derzeit so wie die Corona-Pandemie. Und kaum eine soziale Gruppe steht dabei so im Zentrum wie jene der älteren und alten Menschen. Es geht, so jedenfalls der journalistische wie regierungsoffizielle Tenor, um den Schutz der besonders Schwachen – gemeint sind damit in erster Linie die Alten. Der Grund dafür ist zunächst, dass das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer Covid-19-Infektion mit zunehmendem Lebensalter steigt. Doch wenngleich dieser Zusammenhang epidemiologisch nicht zu bestreiten ist, sind seine sozialen Implikationen komplex und alles andere als eindeutig. Nicht zuletzt ist Alter – auch epidemiologisch – ein Risikofaktor unter anderen.

Umso mehr muss erstaunen, dass in den einschlägigen Debatten eines zweifelsfrei festzustehen scheint: dass ältere Menschen als schwach, gefährdet, hilfsbedürftig und somit als Objekte von Schutz- und Isolationsmaßnahmen betrachtet werden müssen, während sie als handelnde Subjekte mehr oder weniger komplett außen vorgelassen werden können. Regelungen zur Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum gehen offenkundig von gesunden und leistungsfähigen Menschen als Bezugsnorm aus: Aktivitäten allein oder zu zweit sind erlaubt, während in vielen Städten zugleich ein „Verweilverbot“ gilt.

Mai 2020

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