Ausgabe März 2021

Erdoğan oder: Der schwache Mann am Bosporus

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Vorsitzende der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahceli, 18. April 2018 (IMAGO / Depo Photos)

Bild: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Vorsitzende der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahceli, 18. April 2018 (IMAGO / Depo Photos)

Von Recep Tayyip Erdoğan vernimmt man seit einiger Zeit ungewohnte Töne. Das vergangene Jahr hatte der türkische Präsident größtenteils damit verbracht, den Druck auf die Opposition und die Zivilgesellschaft im eigenen Land zu erhöhen und mit einer aggressiven Außenpolitik die Europäer vor den Kopf zu stoßen. Seit November spricht er nun von innenpolitischen Reformen und davon, in den Beziehungen zur EU „eine neue Seite“ aufschlagen zu wollen. Europa bleibe das Ziel seines Landes, sagt er und kündigt eine neue Verfassung an, die nach Angaben seines Justizministers eine Stärkung der Freiheitsrechte bringen soll. Geschehen ist bisher trotz der Versprechen allerdings nichts, obwohl die Reformen dringend gebraucht werden, um neue Investoren in die Türkei zu locken und die Wirtschaft des Landes aus der Krise zu manövrieren. Innenpolitisch zieht Erdoğan die Schrauben sogar weiter an. Warum also redet er von Veränderung, ohne zu handeln? Das liegt zum einen an der fragilen Machtkonstellation in Ankara – und zum anderen daran, dass Erdoğan lange nicht so mächtig ist, wie der Westen gemeinhin annimmt.

Devlet Bahçeli heißt der Mann, der den Bewegungsspielraum des türkischen Präsidenten erheblich einschränkt. Er ist Chef der rechtsgerichteten Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), der Mehrheitsbeschafferin für Erdoğans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) im Parlament von Ankara.

März 2021

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Druckausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.