Bild: Ein Soldat an einem aserbaidschanischen militärischen Außenposten beim Agaoglan-Kloster im Bezirk Lachin, 24. Februar 2021 (IMAGO / ITAR-TASS)
Es klang fast nach einem Paradigmenwechsel für die Europäische Union, was Ursula von der Leyen im Herbst 2019 ankündigte. Zu ihrem Amtsantritt als EU-Kommissionspräsidentin sagte sie: „Wir wollen eine starke geopolitische Kommission sein.“ Ob diesen Worten bereits Taten gefolgt wären, wenn nicht die Pandemie dazwischengekommen wäre? Möglicherweise. Momentan betreibt die Union jedoch vor allem Nabelschau – und übersieht dabei, dass sich in ihrer östlichen Nachbarschaft die geopolitischen Kräfteverhältnisse massiv verschieben.
Gewiss, es gibt engagierte Kaukasus-Expertinnen und -Experten in der Kommission, im Parlament und im Rat, die genau verfolgen, was vor Ort geschieht. Insgesamt hat die Region für die EU jedoch keine Priorität. Und Armenien scheint in der Wahrnehmung Europas fast gänzlich unter dem Radar verschwunden zu sein. In dem kleinen Land am Fuße des Ararat warteten die Menschen während des Krieges um Bergkarabach im Herbst 2020 vergeblich auf die EU. Stattdessen schufen Russland und die Türkei Fakten.[1]
Die Abwesenheit der EU ist vor allem für die armenische Zivilgesellschaft ein Schlag ins Gesicht. Die Kaukasus-Republik wurde von der westlichen „Wertegemeinschaft“ im Stich gelassen – dieses Gefühl teilen viele Armenier. Die Enttäuschung darüber ist angesichts der innenpolitischen Entwicklungen der letzten drei Jahre besonders bitter. Denn Armenien war auf dem besten Weg, eine stabile Demokratie zu werden.