Ausgabe April 2022

Der Zwang zur Abschreckung: Das Dilemma des Westens

Ein russisches Minenräumfahrzeug in der Region Kherson/Ukraine, 21.3.2022 (IMAGO / SNA)

Bild: Ein russisches Minenräumfahrzeugin der Region Kherson/Ukraine, 21.3.2022 (IMAGO / SNA)

Die Invasion russischer Streitkräfte in die Ukraine am 24. Februar 2022 markiert den Beginn einer neuen, extrem konfliktreichen Epoche der europäischen Sicherheitsbeziehungen. Nach 30 Jahren ist die bereits seit den 2000er Jahren zunehmend brüchig gewordene Phase kooperativer Sicherheit in Europa endgültig zu Ende gegangen. An die Stelle von Sicherheit durch Zusammenarbeit tritt Sicherheit durch Abschreckung. Ein großer Krieg mitten in Europa, unvorstellbar bis vor kurzem, ist Realität geworden. Seine Dimensionen sind dramatisch: Auf beiden Seiten sind Tausende Soldaten gefallen, die Opfer in der Zivilbevölkerung werden noch weit größer sein, wenn die russische Armee Kiew nach dem Vorbild Grosnys und Aleppos sturmreif schießt. Bereits Mitte März 2022 hatten über drei Millionen Flüchtlinge die Ukraine verlassen, zwischen fünf und zehn Millionen werden erwartet, es handelt sich um die größte Flüchtlingswelle in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Russland verkommt zu einem weitgehend isolierten Pariastaat, aber einem mit dem größten Atomwaffenarsenal und einem Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine steht für den Kampf um die Zukunft der europäischen Ordnung, sofern von Ordnung heute noch die Rede sein kann. Er wird Europa stärker verändern als jedes andere Ereignis seit dem Ende des Kalten Krieges.

April 2022

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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