Ausgabe Januar 2025

Die kommende Broligarchie

Wofür Musk und Co. ihre neue Macht nutzen wollen

Elon Musk bei der Whlkampfveranstaltung von Donald Trump im Madison Square Garden in New York City,  27.10.2024 (IMAGO / UPI Photo / John Angelillo)

Bild: Elon Musk bei der Whlkampfveranstaltung von Donald Trump im Madison Square Garden in New York City, 27.10.2024 (IMAGO / UPI Photo / John Angelillo)

Nachdem Donald Trump die Wahl gewonnen hatte, ernannte er als eine seiner ersten Amtshandlungen zwei nicht gewählte männliche Plutokraten, Elon Musk und Vivek Ramaswamy, zu Leitern einer neuen Kommission für Regierungseffizienz. Das Akronym der noch zu schaffenden Einheit, DOGE, ist eine Art Witz – eine Anspielung auf eine Kryptowährung, die nach einem Internet-Meme benannt ist, das einen Hund der Rasse Shiba Inu zeigt. Aber die Aufgabe, die dem „Department of Government Efficiency“ übertragen werden soll, nämlich die Bundesbehörden zu reorganisieren und ihre Ausgaben zu kürzen, läutet eine neue politische Ordnung in Washington ein: die Broligarchie – eine Oligarchie, in der enorme Macht an die Bros der Technologie- und Finanzbranche fließt, an Magnaten, von denen einige den demokratischen Traditionen gleichgültig oder sogar offen feindlich gegenüberstehen.

Zu den Broligarchen gehören auch der PayPal- und Palantir-Mitbegründer Peter Thiel – der Mentor, ehemalige Arbeitgeber und Hauptsponsor des designierten Vizepräsidenten JD Vance –, ebenso wie die Risikokapitalgeber Marc Andreessen und David Sacks, die beide Trumps Wahlkampf mit Millionen von Dollar unterstützt haben. Der Archetyp aber ist zweifellos Elon Musk. Der reichste Mann der Welt soll Berichten zufolge an den Telefonaten des designierten Präsidenten mit mindestens drei ausländischen Staatsoberhäuptern teilgenommen haben: dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Musk begrüßte gemeinsam mit Trump den argentinischen Präsidenten Javier Milei in Mar-a-Lago und traf sich laut „The New York Times“ in New York privat mit dem iranischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, um die „Spannungen“ zwischen Iran und den USA zu „entschärfen“. Nachdem sich Musk kürzlich öffentlich für den Finanzmanager Howard Lutnick als Finanzminister ausgesprochen hatte, waren einige Mitglieder von Trumps Lager besorgt, dass Musk als „Co-Präsident“ fungieren könnte, berichtete „The Washington Post“.

Nicht immer bekommt Musk genau das, was er will: Trump nominierte Lutnick nicht als Finanz-, sondern als Handelsminister. Dennoch hat der Einfluss der Broligarchen sowohl auf die Außen- als auch auf die Innenpolitik viele Beobachter überrascht – auch mich, obwohl ich im vergangenen August über die sich vertiefende politische Annäherung der Broligarchen an Trump schrieb.[1] Wenngleich einige von ihnen Trump zuvor wegen seiner Einwanderungs- oder Zollpolitik ablehnten, teilen die Broligarchen seine Politik der Straflosigkeit: die Vorstellung, dass einige Männer über dem Gesetz stehen sollten. Diese trotzige Ablehnung jeglicher Beschränkung und jeglicher Verpflichtung gegenüber den Gesellschaften, die sie reich gemacht haben, ist unter den Ultrareichen der Welt weit verbreitet, einer Gruppe, deren Praktiken und Normen ich seit fast zwei Jahrzehnten studiere.[2] Trump verkörpert diese Gesinnung auch ganz aktuell: Derzeit verstößt er gegen ein Gesetz, das er selbst während seiner ersten Amtszeit in Kraft gesetzt hat und das vorsieht, dass neu ins Amt kommende Präsidenten ein Ethikversprechen abgeben müssen.

Selbsternannte Superhelden, die über dem Gesetz stehen

Trump beruft sich auf seinen Status als Celebrity, um zu begründen, warum er über dem Gesetz stehe. In Bezug auf sexuelle Übergriffe sagte er den berüchtigten Satz „Wenn du ein Star bist, lassen sie es dich tun“. Auch viele Broligarchen sehen sich als außergewöhnliche Wesen, sind aber auf einem anderen Weg zu dieser Ansicht gelangt: über Science-Fiction, Fantasy-Literatur und Comics. Ideen aus diesen Genres haben die Kultur des Silicon Valley schon lange durchdrungen. Letztes Jahr veröffentlichte Andreessen ein Manifest, in dem er dazu aufruft, „technologische Supermenschen zu werden“, definiert durch den Antritt einer „Heldenreise“ und die „Eroberung von Drachen“.[3]

Superhelden-Erzählungen scheinen auch viele von Musks exzentrischeren politischen Ansichten zu beeinflussen. So wird berichtet, er sei überzeugt, dass Superintelligente die Pflicht hätten, sich zu vermehren. Der Einfluss von Superhelden-Narrativen könnte auch erklären, warum Musk im September auf X einen Post weiterverbreitete, der behauptete, eine Republik hochrangiger Männer sei unserer derzeitigen Demokratie überlegen. Im November verglich er Matt Gaetz, Trumps damaliger Kandidat für das Amt des Justizministers, mit Judge Dredd, einer dystopischen Comicfigur, die befugt ist, summarische Hinrichtungen durchzuführen. Musk scheint dies als Kompliment gemeint zu haben. Er beschrieb Gaetz, gegen den der Kongress bis zu dessen Rückzug aus dem Repräsentantenhaus im Zusammenhang mit Prostitution ermittelte, als „unseren Hammer der Gerechtigkeit“. Unabhängig von ihrer Herkunft hat das Gefühl der Broligarchen, von Natur aus überlegen zu sein, viele von ihnen zu einer ähnlichen Einstellung zur Besteuerung geführt wie Trump. Im Jahr 2016 prahlte dieser als republikanischer Präsidentschaftskandidat damit, jahrelang keine Steuern gezahlt zu haben. „Das macht mich schlau“, brüstete er sich während des TV-Duells mit Hillary Clinton. Die Broligarchen haben sich still und leise von einer der wenigen Gewissheiten im Leben befreit. Wie die Organisation ProPublica 2021 berichtete, zahlte Musk 2018 keine Einkommensteuer auf Bundesebene und von 2014 bis 2018 einen defacto-Steuersatz von 3,3 Prozent, während sein Vermögen um 13,9 Mrd. Dollar wuchs. Thiel nutzte ein Regierungsprogramm, das die Altersvorsorge von Amerikanern aus der Mittelschicht erweitern sollte, um fünf Mrd. Dollar an Kapitalerträgen völlig steuerfrei anzuhäufen. Der politische Aufstieg der Trump-freundlichen Broligarchen stellt den Schlachtruf der Boston Tea Party, „no taxation without representation“ (Keine Besteuerung ohne politische Vertretung), auf den Kopf: Trotz minimaler Besteuerung sind sie stark repräsentiert.

In ihrer Feindseligkeit gegenüber Besteuerung und Regulierung ähneln die Männer, die die Wall Street und das Silicon Valley anführen, früheren Generationen wohlhabender Kapitalisten, die einen übergroßen Einfluss auf die amerikanische Politik hatten. Sogar einige Tech-Barone, die Kamala Harris unterstützten, forderten lautstark die Entlassung der Vorsitzenden der Federal Trade Commission, Lina Khan, die sich für eine strenge Durchsetzung des Kartellrechts einsetzt.

Private Kolonien statt demokratische Nationalstaaten

Aber die Broligarchen unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt von den amerikanischen Oligarchen der alten Schule: Ihre politische Vision zielt darauf ab, das Nationalstaatensystem weltweit zu untergraben. Musk hat sich unter anderem die Privatisierung und Kolonisierung des Weltraums mit wenig oder gar keiner staatlichen Beteiligung zum Ziel gesetzt. Thiel und Andreessen haben viel in die Schaffung von Alternativen zum Nationalstaat auf der Erde investiert, darunter libertäre Kolonien mit minimaler Besteuerung. Eine solche Kolonie existiert bereits in Honduras. Thiel investiert auch in Projekte zur Schaffung künstlicher Inseln und anderer autonomer Gemeinschaften, die als neue Außenposten für eine private Regierungsführung dienen sollen. „Die Art der Regierung wird sich auf einer sehr grundlegenden Ebene ändern“, sagte Thiel 2008 über diese Initiativen.

Kryptowährungen sind der finanzielle Motor des politischen Projekts der Broligarchen. Seit Jahrhunderten werden Staaten durch zwei Monopole definiert: erstens durch das Gewaltmonopol (ausgeübt durch Militär und Polizei) und zweitens durch die Kontrolle der Geldmenge. Die heutigen Broligarchen versuchen seit langem, die staatliche Kontrolle über die globalen Finanzen zu schwächen. Thiel merkte in seinem 2014 erschienenen Buch „Zero to One“ an, dass er, Musk und andere, als sie das Unternehmen PayPal gründeten, „eine entsprechend große Mission hatten […]. Wir wollten eine neue Internetwährung schaffen, um den US-Dollar zu ersetzen.“

Wenn es den Broligarchen gelingt, die Kryptowährung zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten oder Ersatz für den Dollar zu machen, könnten die Auswirkungen enorm sein. Denn die amerikanische Währung ist auch die weltweite Reservewährung – ein globales Tauschmittel. Dies hat 80 Jahre lang zur wirtschaftlichen Dominanz der USA in der Welt beigetragen und gibt Washington mehr Spielraum, finanziellen und wirtschaftlichen Druck als Alternative zu militärischen Maßnahmen einzusetzen.

Trump, ein Bitcoin-Präsident?

Den Dollar zu untergraben, könnte den Reichtum der Broligarchen steigern, da sie ein beträchtliches Vermögen in Kryptowährungen halten, würde aber die Vereinigten Staaten schwächen und wahrscheinlich die Weltwirtschaft destabilisieren. Doch Trump scheint nun – trotz seines Versprechens, „Amerika wieder großzumachen“, und trotz seiner früheren Behauptungen, Kryptowährungen seien ein „Betrug“ am Dollar –, voll und ganz auf der Linie der Broligarchen zu liegen. Trump signalisierte diese Haltung während seines Wahlkampfs, als er im vergangenen Juli als Hauptredner auf einer Krypto-Konferenz auftrat. Später versprach er, Kryptowährungen durch den Kauf einer strategischen Bitcoin-Reserve zu einem Kernstück der amerikanischen Geldpolitik zu machen. Am Tag nach der Wahl postete ein Krypto-Befürworter auf X: „Wir haben einen #Bitcoin-Präsidenten.“ Berichten zufolge prüft die neue Regierung derzeit Kandidaten für die Rolle eines sogenannten Krypto-Zaren – eines Sonderbeauftragten für die digitalen Zahlungsmittel.

Wenn die wirtschaftliche und politische Dominanz Amerikas nachlässt, könnten die reichsten Männer des Landes gut positioniert sein, um das daraus resultierende Machtvakuum zu füllen und davon zu profitieren. Aber sind ein geschwächtes Land, größere globale Instabilität und die Herrschaft einiger weniger Reicher wirklich das, was die Wähler wollten, als sie Trump wählten?

Musk gab Millionen von Dollar aus, um Trumps Wahlkampf zu unterstützen, und bewarb ihn auf X. Jetzt tut er alles, um aus Trumps Sieg Kapital zu schlagen und seine eigene Macht zu maximieren – bis hin zur Hetze seiner X-Anhänger gegen einzelne unbekannte Regierungsbeamte. Einiges, darunter die jüngste Fokusgruppen-Studie der Nachrichtenwebseite Axios über Wechselwähler, deutet darauf hin, dass die Amerikaner angesichts des Einflusses der Broligarchen bereits ein mulmiges Gefühl haben. „Ich habe nicht für ihn gestimmt“, sagte ein Teilnehmer über Musk. „Ich weiß nicht, welche Absichten er mit dieser Art von Zugang eigentlich verfolgt.“ Ein anderer Wähler fügte hinzu: „Meiner Meinung nach gibt es in der Geschichte von Elon Musk nichts, was darauf hindeutet, dass er das Interesse des Landes oder seiner Bürger im Sinn hat.“ Dennoch können wir davon ausgehen, dass er und seine Mit-Broligarchen ihren Einfluss so weit wie möglich ausdehnen werden – solange Trump sie lässt.

Deutsche Erstveröffentlichung eines Textes, der unter dem Titel „What the Broligarchs Want From Trump“ am 24.11.2024 auf theatlantic.com erschienen ist. Übersetzung: Ferdinand Muggenthaler.

[1] Brooke Harrington, The Broligarchs Are Trying to Have Their Way – The antidemocratic politics of having it all, theatlantic.com, 4.8.2024.

[2] Dies., Offshore. Wie Vermögensverwalter Reichtum tarnen und einen neuen Kolonialismus schaffen, Frankfurt a. M. 2024.

[3] Marc Andreessen, The Techno-Optimist Manifesto, a16z.com, 16.10.2023.

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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