Wiedervereinigung - Der größte Entschuldungscoup aller Zeiten?
Selten war soviel von Geschichte die Rede wie in diesen Wochen seit dem 9. November. Aber der Redeschwall vom "historischen Augenblick", die Beschwörung des sprichwörtlichen "Mantels der Geschichte", den man nun - Bismarck gleich - erhaschen möchte, alle diese Geschichtsrhetorik wird noch übertroffen durch das Ausmaß historischer Vergeßlichkeit. - Macht Geschichte dumm? Die "große Rede" des Bundeskanzlers zu den Perspektiven einer "Wiedervereinigung" gab sich zwar nüchtern; ganz verzichten mochte er auf die allfällige Erklärung "W i r sind die Sieger der Geschichte!" aber auch nicht. Einige Impressionen: Daß die polnische Westgrenze "vergessen" wurde, fiel in der Einheitsbegeisterung des 4. August, pardon: 28. November natürlich niemanden auf. Oder ein anderes: "Keine Vorbedingungen" an die DDR, das ist inzwischen eine feststehende Redewendung geworden, so auch beim Bundeskanzler.
Ihr folgte die Einschränkung freilich auf dem Fuße: "Wirtschaftliche Hilfe kann nur wirksam werden, w e n n grundlegende Reformen des Wirtschaftssystems erfolgen" und - noch deutlicher - "w e n n ein grundlegender Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems in der DDR ... verbindlich und unumkehrbar in Gang gesetzt wird.