Die Bemühungen der USA und der Alliierten, Gold und andere Guthaben, die Deutschland während des Zweiten Weltkrieges stahl oder verschwinden ließ, wiederzufinden und rückzuerstatten (Wortlaut der Einführung)
Der von Präsident Clinton in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht über den Verbleib des sogenannten Raubgoldes, also des Goldes, das Deutschland in den im Zweiten Weltkrieg eroberten Staaten beschlagnahmte, wurde am 7. Mai in Washington veröffentlicht. Insbesondere das Vorwort des insgesamt 200seitigen "Eizenstat"-Berichts (benannt nach dem Staatssekretär im Handelsministerium Stuart E. Eizenstat) führte zu heftigen Reaktionen seitens der Schweizer Regierung, die sich gegen den Vorwurf zur Wehr setzte, die Schweiz sei der "Bankier der Nazis" gewesen und habe dadurch den Krieg verlängert. Im folgenden drucken wir eine ungekürzte übersetzte Version der "Einleitung" (ohne die "Zusammenfassung") im Wortlaut ab. D. Red.
Dieser Bericht spricht eine entscheidende aber verhältnismäßig vernachlässigte Dimension der Geschichte des zweiten Weltkriegs und seiner Nachwirkungen an, eine Dimension, die letztes Jahr in den Brennpunkt intensiver politischer und diplomatischer Aufmerksamkeit sowie des Medieninteresses gerückt ist. Es handelt sich um eine Studie über die Vergangenheit, die Folgen für die Zukunft haben wird. Der Report dokumentiert einen der größten Regierungsdiebstähle in der Geschichte: die Beschlagnahme von Zentralbankgold im Schätzwert von 580 Mio. Dollar - heutzutage etwa 5,6 Mrd. Dollar - zusammen mit weiterem Vermögen in unbestimmter Höhe während des zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland. Diese Werte wurden Regierungen und Zivilisten in den von Deutschland überrannten Ländern sowie jüdischen und nichtjüdischen Opfern der Nazis gleichermaßen gestohlen, darunter die ermordeten Juden in den Vernichtungslagern, denen bis hin zu den Goldplomben in ihren Zähnen alles genommen wurde. Das Mandat, das uns der Präsident erteilt hat, bestand darin, mit diesem Bericht möglichst umfassend zu beschreiben, wie sich die USA und die Alliierten bemühten, dieses Gold und andere von den Nazis gestohlene Vermögenswerte wiederzufinden und rückzuerstatten, ebenso deren Bemühen, weitere deutsche Aktiva für den Wiederaufbau Nachkriegseuropas einzusetzen. Unser Mandat betrifft ebenfalls die anfänglich mutigen, aber letztlich unzureichenden Schritte der USA und der Alliierten, Vermögenswerte für die Unterstützung staatenloser Opfer der Nazi-Greuel bereitzustellen.
Mit diesem Mandat verbindet sich, daß der Bericht die Rolle der neutralen Länder erfaßt und darlegt, deren Entgegennahme des gestohlenen Goldes im Austausch für notwendige Güter und Rohstoffe dazu beigetragen hat, das Nazi-Regime aufrechtzuerhalten und seine Kriegsanstrengungen zu verlängern. Diese Rolle spielten sie weiter, trotz verschiedener Warnungen der Alliierten, auch lange noch nach der Zeit, in der diese Länder begründete Angst vor einer deutschen Invasion haben mußten. Unter den neutralen Ländern wird der Schweiz in unserm Bericht die größte Aufmerksamkeit zuteil. Wir haben nicht den Wunsch, ein Land auszugrenzen, das eine starke Demokratie hat, humanitäre Anstrengungen großzügig unterstützt und heute ein geschätzter Partner der Vereinigten Staaten ist.
Aber in jeder Geschichte, die den Verbleib des Nazi-Goldes und anderer Vermögenswerte während des Zweiten Weltkriegs und danach betreffen, steht die Schweiz an herausragender Stelle, weil sie der wichtigste Bankier und Finanzmakler der Nazis war und daher mit ungeheuren Summen in Gold und harter Währung umging. Ausgearbeitet vom Chefhistoriker des Außenministeriums, Dr. Williarn Slany, ist die Studie das Ergebnis außergewöhnlicher, sieben Monate währender Bemühungen von elf US-Regierungsbehörden 1), die ich auf Wunsch Präsident Clintons koordinierte. Alle Beteiligten haben unermüdlich daran gearbeitet, zunächst einmal 15 Mio. Seiten Dokumente im Nationalarchiv zu sichten. Dies war das bisher größte Unternehmen, das mit Hilfe der Archivaufzeichnungen je durchgeführt wurde, und es erforderte die gleichzeitige Freigabe und Überführung von mehr Dokumenten - zwischen 800 000 und einer Mio. Seiten - als jemals zuvor in der Geschichte dieser Einrichtung. Diese Dokumente sind der Forschung nun erstmals zugänglich.
Dennoch hat diese Studie vorbereitenden Charakter und ist deshalb unvollständig. Nicht jedes US-Dokument, das Nazi-Raubgut betrifft, konnte in der sehr kurzen Zeit, die wir zur Durchführung und Beendigung der Studie hatten, lokalisiert und analysiert werden. Mit dem Fortschreiten der Untersuchung tauchten ständig neue Dokumente auf. Da wir gezwungen waren, uns hauptsächlich auf US-Quellen zu beziehen, ist uns bewußt, daß solange kein vollständiges Bild entwickelt werden kann, bis nicht die Dokumente anderer Länder auch untersucht wurden. Der Bericht wurde von Historikern verfaßt. Es handelt sich darum, Tatsachen aus der Vergangenheit zu ermitteln, nicht darum irgendein Land zu verteidigen oder zu beleidigen. Der Bericht bemüht sich, harte Realitäten nicht zu verdecken, kein Resultat zu verdunkeln. Er konzentriert sich auf die Rolle der US-Regierung und berührt die Rolle von Ländern, die heute zu unseren besten Freunden und Verbündeten zählen, von unseren Alliierten im Krieg bis zu den seinerzeit neutralen Ländern Argentinien, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz und Türkei (welche sich den alliierten Bemühungen kurz vor Ende des Krieges anschloß).
Das Bild, das insbesondere die neutralen Staaten auf diesen Seiten bieten, ist oft hart und unvorteilhaft. Viele profitierten beträchtlich von ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit NaziDeutschland, während die alliierten Nationen Gut und Blut opferten, um eine der stärksten Mächte des Bösen in den Annalen der Geschichte zu bekämpfen. Gleichzeitig war unserem Team bewußt, daß wir, wenn wir die Geschichte anderer Nationen durchleuchten, auch Amerikas Rolle sorgfältig untersuchen müssen - und dies tut die Studie auch. Warum gibt es nun plötzlich solches Interesse an diesen tragischen Ereignissen, die fünf Jahrzehnte zurückliegen? Es gibt eine Vielzahl von Erklärungen. Das Ende des Kalten Krieges ermöglichte es, Fragen zu untersuchen, die lange in den Hintergrund gedrückt worden waren. Einige vorher unzugängliche Dokumente sind freigegeben und öffentlich zugänglich geworden. Da die Holocaustüberlebenden dem Ende ihres Lebens entgegensehen, haben sie das dringende Bedürfnis, sicherzustellen, daß lange unterdrückte Fakten ans Licht kommen und daß ihnen ein größeres Maß an Gerechtigkeit widerfährt, um, wie schwach auch immer, ihre Leiden zu lindern. Und es gibt eine junge Generation, die an der Schwelle des 21. Jahrhunderts eines der prägendsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts besser zu begreifen sucht.
Aber der zwingendste Grund war die außergewöhnliche Führungskraft und Weitsicht einiger weniger Menschen, die den Fall auf die internationale Tagesordnung gesetzt haben: Nämlich der Vorstand des jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, Israel Singer und Elan Steinberg; eine überparteiliche Gruppe im US-Kongreß, besonders die zähe und wichtige Pionierrolle von Senator Alfonse D'Amato aus New York; und Präsident Bill Clinton, der auf der Einsetzung unserer Arbeitsgruppe und der Veröffentlichung der Fakten bestand. Diese leitenden Persönlichkeiten haben unser Gewissen angerührt und uns in der Entschlossenheit bestärkt, Gerechtigkeit möglich zu machen, insbesondere für die überlebenden Opfer des Holocaust und der Unterdrückung durch die Nazis Hauptschlußfolgerungen und Auswirkungen auf die Politik
Auf den Seiten dieser Vorstudie werden wichtige Schlußfolgerungen gezogen, von denen einige heute beträchtliche Auswirkungen haben.
Erstens war die massive und systematische Plünderung des Goldes und anderer Vermögenswerte von eroberten Nationen und Nazi-Opfern kein einfacher Schurkenstreich. Sie war für die Finanzierung der deutschen Kriegsmaschinerie unabdingbar. Die Reichsbank selbst die Zentralbank des deutschen Staates - war Mitwisserin und wesentliche Akteurin. Die Reichsbank war es, die sich wissentlich zuzüglich zu ihren eigenen Goldreserven erbeutetes Gold einverleibte, das aus der Gelddeckung der Regierungen der von den Nazis besetzten Länder stammte. Nach den deutschen Reserven zu Kriegsbeginn zu urteilen, wurde der größere Teil des Goldes den Zentralbanken geraubt. Auch ist den von uns entdeckten und überprüften Dokumenten klar zu entnehmen, daß man von einzelnen Zivilpersonen, Opfer von Nazigreueln inbegriffen, eine bestimmte Menge Gold einzog und in die Vorräte der Reichsbank aufnahm. Es war die Reichsbank, welche Beihilfe leistete bei der Umwandlung von Goldmünzen, Schmuck und goldenen Zahnfüllungen der Opfer in Guthaben auf dem "Melmer"-Konto der SS. Die Reichsbank organisierte den Verkauf oder die Verpfändung dieser Konzentrationslager-Beute sowie das Verschmelzen eines Teils dieses Golds zu Goldbarren während die Herkunft häufig verschleiert wurde und somit äußerlich nicht von der jenes Goldes zu unterscheiden war, das von den Zentralbanken geraubt wurde.
Deutschland mußte, als seine Handelspartner begannen, die deutsche Reichsmark nicht mehr zu akzeptieren, in zunehmendem Maße mit Gold für ausländische harte Währung und andere Materialien und Güter zahlen, die für Deutschlands Kriegsanstrengungen lebensnotwendig waren. Zwischen Januar 1939 und dem 30. Juni 1945 transferierte Deutschland Gold im Werte von etwa 400 Mio. Dollar (im heutigen Wert von 3,9 Mrd. Dollar) zu der Schweizerischen Nationalbank in Bern. Von dieser Summe kaufte die Schweizerische Nationalbank etwa drei Viertel im Werte von 276 Mio. Dollar (= 2,7 Mrd. Dollar heute) und der Rest wanderte direkt auf die Konten anderer Nationen, um Güter und Rohstoffe zu bezahlen.
Zweitens kollidierte unter den außergewöhnlichen Umständen des Zweiten Weltkriegs Neutralität mit Moral; zu oft bot das Neutralsein den Vorwand dafür, moralische Überlegungen zu vermeiden. In der Geschichte ist Neutralität ein althergebrachtes Prinzip im Völkerrecht und diente Jahrhunderte hindurch während der europäischen Kriege als ein legitimes Mittel, mit dem kleinere Nationen ihre Souveränität und wirtschaftliche Lebensfähigkeit bewahrten.
Doch es ist schmerzlich klar, daß Argentinien, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Türkei und andere neutrale Länder erst langsam merkten und anerkannten, daß dies kein Krieg wie jeder andere war. Die meisten taten es überhaupt nicht. Nazideutschland war eine tödliche Bedrohung für die westliche Zivilisation an sich und, hätte es gesiegt, sogar für die neutralen Länder selbst. Natürlich müssen wir uns hüten, vereinfachende moralische Bewertungen über das Verhalten neutraler Nationen zu Kriegszeiten abzugeben. Keine dieser Nationen begann den Zweiten Weltkrieg oder verursachte den Holocaust; diese Verantwortlichkeit lag eindeutig bei Nazideutschland. Kein Land, die Vereinigten Staaten inbegriffen, tat so viel, wie es hätte tun können oder sollen, um unschuldige Opfer vor der Nazi-Verfolgung zu retten: Juden, Zigeuner, politische Gegner und andere. Amerika selbst nahm nach dem Ausbruch des Kriegs in Europa über zwei Jahre lang nicht an diesem teil. Restriktive US-Einwanderungspraktiken hinderten Hunderttausende von Flüchtlingen daran, in den Vereinigten Staaten Sicherheit zu finden, was am tragischsten durch unsere Weigerung veranschaulicht wird, die mit Flüchtlingen beladene "St. Louis" anlegen zu lassen - viele von ihnen kamen um, als das Schiff zur Rückkehr nach Europa gezwungen wurde.
Dennoch froren die USA im April 1940 (18 Monate vor Kriegseintritt) die deutschen Guthaben ein, trieben wenig Handel und Geschäfte mit Nazi-Deutschland und unterstützten großzügig Großbritannien, die Sowjetunion und die Anti-Nazi-Sache - trotz heftigem Widerstand im Innern - durch Programme wie Lend-Lease [Dieses "Pacht- und Leihgesetz" ermöglichte die Lieferung von kriegswichtigen Gütern und umfaßte 50 Mrd, Dollar; d. Übs.]. Viele Neutrale hegten die begründete Furcht, daß ihre eigene Unabhängigkeit nur eine Panzer-Division von der Auslöschung entfernt war.
Aber wenn Selbstverteidigung und Furcht in diesem Neutralitätskalkül Faktoren darstellten, dann auch bei allen neutralen Ländern der Profit und in einigen von ihnen eine unumwundene Sympathie für die Nazis. Die Neutralen überhörten die wiederholten dringenden Bitten der Alliierten, die Geschäftsbeziehungen mit Nazi-Deutschland zu beenden. Welche Motivation sie auch hatten: die Tatsache, daß sie lebhaften Handel mit dem Dritten Reich betrieben, führte ganz klar dazu, daß man Nazi-Deutschlands Kriegsführungsfähigkeit unterstützte und fortbestehen ließ. Betrachtet man das Verhalten der Neutralen, können drei Phasen unterschieden werden: - Während der ersten Phase, vom Kriegsausbruch 1939 bis zur Schlacht von Stalingrad Anfang 1943, war Deutschlands militärische Potenz derart, daß es die legitime Angst vor einem kurz bevorstehenden Einmarsch gab. - In der zweiten Phase verschoben sich die militärischen Gewichte zugunsten der Alliierten, was in deren Sieg gipfelte. Angefangen Mitte 1943 mit der alliierten Landung in Italien, der D-Day-Landung im Juni 1944 und der Umleitung der deutschen Truppen, um den Vormarsch der Sowjetarmee aufzuhalten, wurde die Nazi-Besetzung Europas zurückgedrängt, und die Bedrohung der Neutralen nahm sehr ab, wenn gleich immer noch die Angst vor anderen Vergeltungsformen weiter bestand.
Der Warenaustausch mit Deutschland lief aber weiter. Deutsche Guthaben in neutralen Ländern wurden trotz alliierter Bitten und Warnungen nicht eingefroren. Die Neutralen profitierten weiter von ihren Handelsverbindungen zu Deutschland und trugen so dazu bei, einen der blutigsten Konflikte der Geschichte zu verlängern. Während dieser Periode hatten die Alliierten Hunderttausende von Opfern zu beklagen, Millionen unschuldiger Zivilisten wurden getötet. - In der dritten Phase der unmittelbaren Nachkriegszeit, stellten die Neutralen die Rechtmäßigkeit der alliierten Bitte, die deutschen Guthaben zu kontrollieren, in Frage, oft bestritten sie, daß sie irgendwelches Nazi-Beutegold besaßen; sie verteidigten ihre geschäftlichen Interessen, zogen Verhandlungen mit den Alliierten in die Länge und beharrten schließlich auf ihren eigenen Wiederherstellungsansprüchen an Deutschland.
Im Gegensatz zu den anderen, die im Krieg neutral geblieben waren, war Schweden vergleichsweise zuvorkommend, was Reichweite und Tempo seiner Zusammenarbeit bei dem Transfer des Nazi-Goldes und anderer Vermögenswerte an die Alliierten anging. Spanien, Portugal, die Schweiz, Türkei und andere setzten trotz des Kriegsendes ihren Widerstand gegen eine Zusammenarbeit fort. In unterschiedlichem Ausmaße arbeiteten alle Neutralen um eigener wirtschaftlicher Vorteile willen mit Deutschland zusammen. Schweden war einer der größten Handelspartner Nazi-Deutschlands und lieferte neben anderen Gütern dringend benötigtes Eisenerz und Kugellager. Portugal versorgte die Kriegsmaschine des Dritten Reichs mit einer Vielzahl lebenswichtiger Bodenschätze, einschließlich Wolframerzes, einer zentralen Komponente bei der Herstellung von Waffenstahl, Spanien hielt einen regen Handel mit Gütern und Rohstoffen aufrecht. Die Türkei war Deutschlands Quelle für das sehr seltene Chrom. Argentiniens der "Achse" wohlgesonnenes Regime kontrollierte den Transfer deutscher Gelder aus Europa nicht.
Drittens war die Schweiz unter allen neutralen Nationen diejenige, die die komplexeste Rolle im Zweiten Weltkrieg spielte und zugleich die engsten und wichtigsten Wirtschaftsbeziehungen zu Nazi-Deutschland unterhielt. Die Rolle der Schweiz war sehr vielschichtig. Sie ging aus dem Zweiten Weltkrieg als eine der reichsten Nationen in Europa hervor. Handel trieb sie mit den Alliierten wie auch mit den Achsenmächten. Die Schweizerische Nationalbank unterhielt nicht nur für Nazi-Deutschland Goldkonten und empfing von ihm Gold, sondern auch von den Vereinigten Staaten, Kanada und Großbritannien. Der US-Spionage diente die Schweiz als eine ihrer Hauptstützpunkte. Auch war sie ein Schutzfaktor für die Alliierten, besonders für unsere Kriegsgefangenen.
Aber es gab auch Unzulänglichkeiten bei der Schweizer Flüchtlingspolitik, wie die Schweizer Regierung bereits 1952 anerkannte (und in den letzten Monaten wiederholte). Die Schweiz überredete die Nazis, den "J"-Stempel einzuführen, der Zehntausenden Juden den Zugang in die Schweiz und andere mögliche Zufluchtsorte verwehrte. Wie Kanada und die Vereinigten Staaten verschärfte die Schweiz ihre Einwanderungspolitik und verschloß während des Krieges praktisch ihre Grenzen für Juden, die aus Frankreich und Belgien vor der Deportation flohen.
Immerhin wurden etwa 50 000 jüdische Flüchtlinge von 1933 bis zum Kriegsende hineingelassen, von denen umgefähr 30 000 blieben und den Krieg in der Schweiz überlebten. Die Schweiz übertrug jedoch den jüdischen Gemeinschaften die Last, für diejenigen Juden zu sorgen, die nach Ausbruch des Krieges hineingelassen worden waren (die meisten davon waren in Arbeitslagern interniert). Im August und Dezember 1944 nahm die Schweiz zusätzliche 1700 KZ-Insassen aus Bergen-Belsen und weitere 1200 aus Theresienstadt auf. Verschiedene jüdische Gemeinschaften mußten diese hinzukommenden Überlebenden unterstützen. Die Schweiz akzeptierte auch weit über 100 000 andere Flüchtlinge nach 1940. Noch Ende 1944 kamen Minister Stettinius und seine Kollegen vom Außenministerium zu dem Schluß, daß alles in allem die Schweizer Neutralität für die Alliierten während des Krieges eher eine positive als eine negative war.
Dieses vergleichsweise gnädige Urteil wurde von anderen Stellen nicht geteilt, vom Kriegs- und Finanzministerium bis hin zum Büro für strategische Dienste (OSS) und dem Justizministerium. Diese Stellen verwiesen darauf, daß über die kritische Bankentätigkeit für die Nazis hinaus die Industrie der Schweiz bei der direkten Produktion für die "Achse" beteiligt war und "Achsen"-Investitionen schützte; Schweizer Reedereien rüsteten Deutschland auch mit einer großen Anzahl von Frachtkähnen aus. Auch erlaubte die Schweiz in präzedenzloser Weise die Nutzung ihrer Eisenbahn für den Transport von Kohle und anderen Gütern zwischen Deutschland und Italien. Die Schweiz lieferte Deutschland Waffen, Munition, Aluminium, Maschinen und Präzisionswerkzeug sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse. Schweizer Konvois brachten Produkte aus Spanien über Frankreich durch die Schweiz nach Deutschland. Schweizer Banken bedienten die NaziMärkte in Lateinamerika. Dieses Verhalten dauerte sogar an, als sich die Deutschen auf dem Rückzug befanden und sich die Gefahr eines Einmarsches verflüchtigte. Noch kurz vor Kriegsende, Anfang 1945, anullierte die Schweiz eine gerade mit den Vereinigten Staaten getroffene Abmachung, die deutschen Guthaben einzufrieren und deutsche Goldkäufe einzuschränken. Die Größe der Goldreserven Deutschlands vor dem Krieg war wohlbekannt.
Die Beweise in diesem Report sind unwiderlegbar: die Schweizerische Nationalbank und private Schweizer Bankiers wußten, daß mit fortschreitendem Kriege die eigenen Schatullen der Reichsbank erschöpft waren und die Schweizer es mit großen Summen an Beutegold zu tun hatten. Die Schweizer waren sich der NaziGoldplünderungen bewußt, der des belgischen Golds aus Frankreich wie auch der aus anderen Ländern. In den Nachkriegsverhandlungen dauerte die Schweizer "Businessas-usual"-Einstellung fort, und es ist diese Zeit, die am wenigsten erklärbar ist. Das Schweizer Team bestand aus halsstarrigen Unterhändlern, die legalistische Positionen zur Verteidigung sämtlicher eigenen Interessen nutzten, ungeachtet der moralischen Fragen, um die es ebenfalls ging. Anfangs kämpften sie beispielsweise gegen die Rückgabe des Nazi-Goldes an die, denen es gestohlen worden war, und bestritten, Beutegold überhaupt erhalten zu haben. Die Schweizer behaupteten, es in gutem Glauben erworben zu haben, daß es Teil der Kriegsbeute gewesen sei, die vom Dritten Reich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts während der siegreichen Feldzüge beschafft worden sei, und daß es keinen Völkerrechtsgrundsatz gebe, der den Alliierten das Recht verleihe, Nazi-Guthaben einzuziehen und umzuverteilen. Schließlich, nach langem schwierigen Verhandeln voller Streit, erzielte man eine Übereinkunft in Form des Washington-Abkommens von 1946 zwischen den Alliierten und der Schweiz.
Das Abkommen verpflichtete die Schweiz, 250 Mio. Schweizer Franken (58,1 Mio. Dollar) in Gold an die Alliierten zu zahlen, die deutschen Guthaben zu liquidieren und 50% der Guthabenerlöse an die Alliierten für den Wiederaufbau des vom Kriege zerstörten Europas zu zahlen, wovon ein Teil für die Hilfe von staatenlosen Opfern verwandt wurde. Gleichzeitig verpflichteten sich die Schweizer in einem beigefügten Brief, ruhende Konten ausfindig zu machen, die ohne Erben waren und zugunsten von Nazi-Opfern genutzt werden könnten. Deutsches Beutegold im Wert von 58 Mio Dollar, das den Alliierten zurückgegeben werden sollte, war weitaus weniger als die vom Außen- und Finanzministerium angestellte Schätzung über 185 289 Mio. Dollar Beutegold, das die Schweizerische Nationalbank auf eigenem Konto bei Kriegsende führte. Weitere 120 Mio. Dollar deutsches Beutegold, schätzte man, lagerten damals auf Konten für andere Länder. Die besagten 58 Mio. wurden unverzüglich der Dreimächte-Goldkommission (TGC) zur Verteilung an die Anspruchsländer ausgezahlt. Der andere Teil der Übereinkunft jedoch, die Liquidation hunderter Mio. Dollar deutscher Guthaben, wurde weder sofort noch jemals völlig umgesetzt.
Die Schweizer erhoben Einwand um Einwand, stritten über Wechselkurse, bestanden darauf, daß die deutschen Schuldenregelungen einbezogen würden, und forderten von der USA die Freigabe von im Krieg gesperrten Guthaben deutscher Firmen, die laut Berner Regierung in Wirklichkeit in Schweizer Besitz waren. Sie [die Schweizer] weigerten sich, eine Ausnahme für die Guthaben überlebender Juden aus Deutschland und deutschjüdische erbenlose Guthaben zu machen, und ließen sie weiterhin auch liquidationspflichtig. Sie lehnten es ab, irgendeine moralische Verpflichtung anzuerkennen, geraubtes niederländisches Gold zurückzugeben, als nach dem Abschluß der Verhandlungen 1946 Beweise verfügbar waren. 1950 kamen US-Unterhändler zu dem Schluß, die Schweiz habe nicht die Absicht, je das Washington-Abkommen von 1946 zu erfüllen. Außenminister Dean Acheson bemerkte, wenn Schweden ein unnachgiebiger Verhandlungspartner sei, so sei die Schweiz Unnachgiebigkeit "hoch drei". Über einen Zeitraum von sechs Jahren, vor der schließlichen Regelung 1952, machte die Schweizer Regierung nur eine Proforma-Anzahlung von 20 Mio Schweizer Franken (damals 4,7 Mio. Dollar, heute 31 Mio. Dollar) für die Umsiedlung staatenloser Opfer 1952 endlich, nach langwierigen und frustrierenden Mühen, einigten sich die Alliierten und die Schweiz auf eine Gesamtzahlung von nur 28 Mio. Dollar - viel weniger als die vereinbarten 50% der deutschen Guthaben in ihrem Land.
Der Umfang der deutschen Guthaben in der Schweiz lag zwischen den Presseberechnungen von 750 Mio. Dollar, US-amerikanischen und alliierten Schätzungen von 250-500 Mio. Dollar und Schweizer Schätzungen von etwa 250 Mio. Dollar. Diese Übereinkunft von 1952, welche die Verpflichtung von 1946 ablöste, wurde innerhalb von Tagen nach der Paraphierung einer deutsch-schweizerischen Schuldenübereinkunft geschlossen, durch die die deutsche Regierung ihren Kriegszeitschulden gegenüber der Schweiz nachkam. Eindeutig war die Verzögerung der Schweiz darauf aus, die deutschen Guthaben als Garantie für eine Regelung der Schweizer Anspruche gegenüber dem Nazi-Regime unter Kontrolle zu behalten. De facto wurde die deutsche Zahlung benutzt, um die Zahlung der Schweiz an die Alliierten zu finanzieren. Erst 1962 fing die Schweiz an, die Zusatzbrief-Übereinkunft von 1946 zum Washington-Abkommen einzuhalten, die Nutzung von erbenlosen Konten zugunsten von Holocaust-Überlebenden "mit Sympathie zu betrachten". Nachdem sie lange den Besitz verwaister Konten abgestritten hatten, fanden einige Schweizer Banken über 2 Mio. Dollar, wovon das meiste erst in den 1970ern an jüdische und andere Hilfsorganisationen überwiesen wurde. In einem erneuten Versuch deuteten [die Schweizer Banken] 1996 an, sie hätten 32 Mio. Dollar in ruhenden Guthaben bei verschiedenen Banken ausfindig gemacht.
Über die Jahre erschwerte die Inflexibilität der Schweizerischen Bankier-Vereinigung und anderer Schweizer Banken es den überlebenden Familienmitgliedern von Nazi-Opfern ungemein, mit Erfolg, Forderungen geltend zu machen, Bankaufzeichnungen und andere Vermögenswerte zu sichern. Dieses allgemeine Muster offensichtlicher Teilnahmslosigkeit der Schweizer Bankiers an den Bedürfnissen der Holocaustopfer und ihrer Erben dauerte an, bis der gegenwärtige internationale Druck zum Tragen kam und zum Beispiel 1996 ein Schiedsmann ernannt wurde. Die mangelnde Beachtung des Wortlautes und Sinns dieses Zusatzabkommens zeigte sich auch in dem separaten Abkommen, das die Schweiz 1945 mit Polen abschloß und in dem sie einwilligte, Gelder von erbenlosen Bankkonten von polnischen Holocaust-Überlebenden und anderen mit polnischer Nationalität an die damals kommunistische Regierung Polens zu transferieren. Dies war an die polnische Zustimmung gekoppelt, die Ansprüche Schweizer Betriebe auf ihren Besitz zu befriedigen, der nach dem Krieg enteignet worden war.
Obwohl es nach internationalem Recht vertretbar war (weil die Polen sich verpflichteten, diese erbenlosen Guthaben allen überlebenden polnischen Anspruchstellern zurückzugeben), verfolgten die Schweizer dies nicht bis zum Ende. Die Schweiz übermittelte Polen bis vor einigen Monaten die Namen polnischer Inhaber der erbenlosen Konten nicht. Auch mit Ungarn setzte die Schweiz ein ähnliches Protokoll auf. Verhandlungen mit anderen Neutralen erbrachten ebenfalls uneinheitliche Resultate. Schweden war bei der Liquidation der deutschen Guthaben, die es hielt, am kooperativsten, obwohl Schweden erst 1955 letzte Transferierungsfragen beim Währungsgold löste. Die Verhandlungen mit Spanien waren langwieriger und weniger erfolgreich, viele deutsche Guthaben in Spanien waren in der spanischen Volkswirtschaft zum Zeitpunkt, als die Verhandlungen 1948 beendet wurden, wie verschwunden. Eine geringe Goldmenge erstattete man zurück, und Guthaben wurden aufgelöst. Die Verhandlungen mit Portugal zogen sich noch länger hin, die Goldverhandlungen schleppten sich aufgrund des portugiesischen Widerstandes in die 1950er hinein.
Erst 1960 wurde den Alliierten eine kleine Summe Bargeld und Gold ausgehändigt. Die Türkei und Argentinien zahlten nichts an Gold oder Vermögenswerten. Viertens liehen die Vereinigten Staaten dem Kampf der freien Welt gegen die Nazi-Tyrannei ihre militärische, materielle und moralische Macht und führten die großherzige Anstrengung an, Nachkriegs-Europa durch den epochenmachenden Marshall-Plan wiederaufzubauen. Gerechterweise darf man schließen, daß die Rolle der USA bei den im Report angesprochenen Themen Nazi-Gold und Vermögenswerte ebenfalls positiv war. Die US-Regierung focht im wirtschaftlichen Krieg gegen die "Achse" an vorderster Stelle, indem sie das "Savehaven"-Programm mit unseren Verbündeten initiierte. Die USA erzielten deutliche Erfolge dabei, deutschen Guthaben den Weg aus diesem Lande [den Vereinigten Staaten, der Übs.] zu versperren und die Bewegungen von Nazi-Guthaben auf zuspüren, besonders beim Beutegold, um jegliches Wiederauferstehen der Nazis nach dem Kriege zu verhindern. Während und nach dem Kriege bemühten sich auch an erster Stelle die USA, denjenigen Nationen und Individuen Entschädigung zu verschaffen, die Opfer des Dritten Reichs geworden waren.
Obwohl die restriktiven Einwanderungspraktiken bis 1948 in Kraft blieben, waren die USA die Aktivsten, das Flüchtlingselend anzusprechen. In der Pariser Reparationskonferenz brachten sie den Vorschlag ein, einen gewissen Teil der Reparationen den Opfern des Nazismus zu sichern. Auch schlugen sie eine alsbaldige Flüchtlingshilfe-Konferenz vor. Die USA stellten auch beträchtliche Gelder für "Displaced Persons" sowie die Wiederansiedlung und -eingliederung der Flüchtlinge zur Verfügung.
Dennoch wirft der Bericht ernsthafte Fragen zur Rolle der USA auf. Die amerikanische Führungskraft war zwar größer als die unserer Verbündeten, aber dennoch begrenzt. Auf hoher Ebene mangelte es nachweislich an Rückendeckung für eine harte Verhandlungsposihon gegenüber den Neutralen. Ferner fehlte es in noch größerem Maße an Aufmerksamkeit, die Umsetzung der erhandelten Abmachungen zu sichern. Weil z.B. die US-Regierung entschied, die eingefrorenen Schweizer Guthaben rasch nach der Unterzeichnung des Abkommens von 1946 freizugeben und trotz Einwänden des Finanzministeriums keine Sanktionen zu verfolgen, war die meiste Verhandlungsmasse verloren, bevor die Schweiz ihre Verpflichtungen erfüllt hatte.
Schließlich setzten weder die USA noch ihre Alliierten die neutralen Länder stark genug unter Druck, ihre moralische Verpflichtumg zu erfüllen und den Holocaust-Opfern durch die Umverteilung erbenloser Guthaben zu ihren Gunsten zu helfen. Diese ernsthaften Mängel der US- und Alliierten-Politik hatten in Verbindung mit dem zähen Widerstand seitens der neutralen Staaten zwei negative Auswirkungen: - Mit einer stärkeren Unterstützung und größerem Interesse der alliierten Führung wäre es wohl möglich gewesen, beim Beutegold und anderen deutschen Vermögenswerten ein besseres Verhandlungsergebnis mit den neutralen Ländern zu erzielen. - Auch erleichterten Unstimmigkeiten innerhalb der Alliierten und der einzelnen Stellen es den Neutralen, Verhandlungen in die Länge zu ziehen und so den Transfer der benötigten Gelder an die Interalliierte Reparations-Agentur (IARA) und die Internationale Flüchtlingsorganisation (IRO) zu verzögern. Die Unzulänglichkeiten der US-Nachkriegspolitik erwuchsen aus einer Reihe von Faktoren, welche die Hände der amerikanischen Unterhändler banden; unerbittlicher Widerstand seitens der neutralen Länder war nicht der kleinste darunter. Zusätzlich zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Stellen darüber, wie hart man mit den Neutralen umgehen solle, gab es außerdem Spaltungen innerhalb der Reihen der Alliierten. Die USA suchten am hartnäckigsten Entschädigung für die Flüchtlinge, trafen jedoch auf Widerstand, etwa auf britischer Seite (wo man der Analyse damaliger US-Offizieller zufolge befürchtete, die Bereitstellung von Geldern für die Neuansiedlung von Flüchtlingen, werde mit der Beschränkung der Anzahl jüdischer Flüchtlinge, die nach Palästina einreisen durften, in Konflikt geraten).
Am stärksten wurden die Ziele der Kriegszeit durch das Bedürfnis ersetzt, ein einheitliches Nachkriegseuropa wiederaufzubauen, und später durch die neuen Imperative des Kalten Kriegs, einschließlich der Gründung der NATO zur Eindämmung der sowjetischen Bedrohung, welche die Berliner Blockade 1948 so dramatisch verdeutlicht hatte. Ein demokratisches Westdeutschland auf die Beine zu stellen und seine Volkswirtschaft zu stärken, das hatte Vorrang davor, ihm den Zugang zu deutschen Guthaben in neutralen Ländern vorzuenthalten - Guthaben, die zu breiteren europäischen Wiederaufbauanstrengungen genutzt werden konnten. Die Allierten wußten, daß die deutschen Anstrengungen, ihre Verpflichtungen gegenüber den neutralen Ländern zu erfüllen, ihre Wirtschaft belasten wurden. Im Falle Portugals veranlaßte die Frage nach einem Zugang zum wichtigen Luftstützpunkt Azoren die Unterhändler dazu sich mit einer Proforma-Zahlung zu begnügen. Gegenüber der Türkei, einem der wichtigsten Verbündeten setzten sich Sicherheitsinteressen durch. Die Schweiz, obwohl neutral, wurde 1951 in einem Entschluß Präsident Trumans offiziell als ein Faktor demokratischer Abschreckung gegen den sowjetischen Expansionismus betrachtet. Fünftens behandelt der Bericht auch die heißumstrittene Frage, ob einiges Gold der Opfer in die Schweiz und andere Länder geschickt wurde und ob es auch in den Goldpool der TGC [Dreimächte-Goldkommission, s.o.] eingeflossen ist.
Dies war der Pool, in den erbeutetes Währungsgold von der TGC zur Neuzuteilung an diejenigen Regierungen plaziert wurde, denen es während des Krieges gestohlen worden war. Diese Studie kommt zu dem Schluß, daß beides aufgetreten ist. Die Reichsbank oder ihre Vertreter schmolzen Gold, das KZ-Häftlingen, Verfolgten und anderen Zivilisten abgenommen worden war, ein und machten Barren daraus. Es gibt klare Beweise dafür, daß diese Barren Deutschlands offiziellen Goldreserven einverleibt worden sind, zusammen mit dem Gold, das bei den Zentralbanken der vom Dritten Reich besetzten Ländern konfisziert worden war.
Obwohl es keinen Beweis dafür gibt, daß die Schweiz oder andere neutrale Staaten wissentlich Gold der Opfer akzeptierten, liefert die Studie - auf der Grundlage der Abläufe und der Praktiken bei der Reichsbank-Goldeinschmelzungen sowie der Vermengung von Währungs- mit anderem Gold, der Goldtransfers und einer Analyse einer Schiffsladung geraubten niederländischen Goldes - klares Beweismaterial dafür, daß wenigstens ein kleiner Teil des Goldes, das in die Schweiz und nach Italien gelangte, Gold von einzelnen Zivilisten aus besetzten Ländern, von KZ-Opfern und anderen, die sogar vor Erreichen der Lager getötet wurden, enthielt. Auch ist klar, daß einiges Gold der Opfer den Gold-Pool "befleckte". Es herrschten große Verwirrung und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Alliierten und innerhalb der US-Regierung über die Abgrenzung des (für den Gold-Pool bestimmten) "Währungsgolds" vom (für die Neuansiedlung staatenloser Opfer bestimmte) "Nicht-Währungsgold". Am Ende entschieden die Vereinigten Staaten anhand einer Definition, die eher auf dem äußeren Anschein als auf der Herkunft basierte. Als Ergebnis wurde Gold in den Goldpool geschwemmt, das Nazis Zivilisten in den besetzten Gebieten sowie einzelnen Nazi-Opfern im Konzentrationslagern und anderswo abgenommen hatten. Zusätzlich kamen die USA und Großbritannien überein, daß mutmaßlich aus dem Konzentrationslager Terezin [Theresienstadt] in der Tschechoslowakei stammende Goldbarren dem Goldpool eingegliedert werden sollten.
Allerdings sind bis jetzt keine Beweise für einen Tansfer zum TGC gefunden worden. Vielleicht werden weitere Forschungen ergeben, wieviel eingegliedert worden ist. Zuletzt verdient ein Aspekt der Studie unverzügliche Aufmerksamkeit und Aktion: das Leid derjenigen, die Opfer nicht nur des Kriegs und des Holocausts waren, sondern auch der traurigen Verbindung aus Teilnahmslosigkeit seitens der Neutralen und Untätigkeit der Alliierten. Die Entscheidung der 18 Nationen auf der Pariser Reparationskonferenz 194b, die Hilfe und Reparationszahlumgen für einzelne Opfer den nationalen Regierungen und internationalen Hilfsorganisationen zu überlassen, war zwar damals verständlich, hatte jedoch im Rückblick unglückliche Folgen: - Es kam zu schweren Ungleichheiten bei der Behandlung der Opfer, je nachdem, wo sie nach dem Kriege lebten.
Diejenigen HolocaustOpfer, die die anwendbaren Kriterien erfüllten, erhielten Unterstützumg bei der Neuansiedlung und, falls sie in den Westen oder nach Israel auswanderten, eine Pension von der [west]deutschen Regierung. Die "doppelten Opfer" jedoch, diejenigen, die nach dem Kriege hinter dem Eisernen Vorhang festsaßen, erhielten im wesentlichen nichts; - Die meisten Regierungen hatten sich über die anfängliche Notumsiedlungshilfe hinaus nicht langfristig zur Eingliederung, zur Suche nach Erben von aufgegebenen Konten oder zur Verteilung erbenloser Konten zugunsten angemessener Fälle verpflichtet. Dies bedeutet, daß die Last, die überlebenden Opfer mit der laufenden Hilfe zu versorgen, weitgehend privaten Organisationen überlassen blieb. Die Gerechtigkeit bleibt für die Opfer trügerisch. Recht betrachtet, fallen deren Nöte im Menschheitsinteresse in die Verantwortung der gesamten internationalen Staatengemeinschaft. Herausforderungen zum Handeln
Die angehäuften Fakten und Schlußfolgerungen, die dieser Report enthält, sollten ein Gefühl für die Ungerechtigkeit hervorrufen und die Entschlossenheit zu handeln. Jetzt, ein halbes Jahrhundert später, ist es die Herausforderung an diese Generation, die nur zu Teilen gelöste Aufgabe des Zweiten Weltkrieg zu vollenden: Gerechtigkeit zu tun, während die überlebenden Opfer noch am Leben sind. Gerechtigkeit zu tun ist zum Teil eine finanzielle Aufgabe.
Aber es ist auch eine moralische und politische Aufgabe, die jede Nation, die an diesen tragischen Ereignissen beteiligt war, dazu bringen sollte, sich ihrer eigenen Geschichte und Verantwortung zu stellen. Auch ist es eine Zeit für Aussöhnung. Ein positiver und heilsamer Prozeß hat bereits begonnen. Von dem bahnbrechenden Bericht des britischen Außenministeriums im September 1996 und dieser US-amerikanischen Geschichtsstudie abgesehen, hat eine wachsende Zahl von Ländern eine Überprüfung ihrer Rolle in der Kriegszeit eingeleitet - einschließlich ihrer Beziehung zum Dritten Reich sowie des Diebstahls und der Fortschaffung von Wertsachen ihrer jüdischen wie auch nichtjüdischen Bürger. Unter den neutralen Ländern hat die Schweiz als erste gehandelt. Sie hat zwei getrennte Ausschüsse eingerichtet - die Volcker-Kommission für die Untersuchung von Vermögen auf ruhenden Konten bei Schweizer Banken und die Bergier-Kommission, um die gesamte historische Beziehung der Schweiz zu Nazi-Deutschland zu überprüfen. Größere Schweizer Banken und Firmen wie auch die Schweizensche Nationalbank haben einen - wachsenden - Fonds von derzeit 180 Mio. Dollar für bedürftige überlebende Opfer der Nazis oder deren Erben geschaffen.
Die Regierung der Schweiz hat die Gründung einer Stiftung vorgeschlagen, um für Überlebende und für andere humanitäre Zwecke ein Einkommen zur Verfügung zu stellen. Private Gruppen, darunter Kirchen und Universitätsstudenten, haben über 500 000 Schweizer Franken (etwa 350 000 Dollar) für Überlebende des Holocaust gesammelt. Die Vereinigten Staaten begrüßen diese deutlichen Gesten und heißen sie gut. Viele andere wichtige Anstrengungen beginnen gerade. Zum Beispiel haben Schweden, Spanien, Portugal, Frankreich, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Brasilien und Argentinien Geschichtskommissionen eingerichtet. Polen veröffentlichte einen Bericht über sein Nachkriegsabkommen zur Regelung von Besitzansprüchen mit der Schweiz. Die Tschechische Republik hat ihre Dokumente durchsucht und ermittelt, daß keine verwaisten Konten auf Schweizer Banken in den Ansprücheregelungen mit den Schweizern eingeschlossen worden sind. Die österreichische Regierung hat einen Fonds zur Entschädigung ihrer Holocaust-Überlebenden eingerichtet. In Kürze wird die Regierung Ungarns damit beginnen, an über 20 000 Überlebende des Holocaust, die in diesem Lande leben, eine monatliche Entschädigung zu zahlen. Verschiedene andere Länder in Mittelund Osteuropa haben, obwohl oft langsam, ebenfalls Schritte unternommen, um jüdisches und nichtjüdisches Eigentum in kommunalem Besitz (wie Schulen, Kirchen und Synagogen), das von den Nazis umd/oder den Kommunisten eingezogen worden war, zurückzuerstatten.
Diese Anstrengungen sollten beschleunigt werden. Um diesen Heilungsprozeß voranzubringen, ist es unerläßlich, daß alle Tatsachen offengelegt werden. Die Regierung Clinton unternahm eine außerordentliche Anstrengung, Dokumente freizugeben, die diese Themen besser beleuchten könnten. Weiterhin gilt: - Die USA sind für die unverzügliche Freigabe aller TGC-Dokumente, die die Herkunft des TGC-Goldpools betreffen. - Die USA werden die Idee einer internationalen Konferenz von Historikern und anderen Experten erkunden, die dem Austausch von Informationen, Einblicken und Dokumenten dienen soll: über die Bewegung der Naziguthaben, über die Beziehungen mit dem Dritten Reich während des Krieges und Maßnahmen, überlebende Eigentümer zu finden oder erbenloses Eigentum zu verteilen. Die USA und andere betroffene Regierungen müßten dann die Ergebnisse dieser Anstrengungen bewerten. Wichtig wird es z.B. sein, Akten der deutschen Reichsbank zur Verfügung zu haben, so daß wir alle die Herkunft und Bewegungen der Beuteguthaben umfassender nachvollziehen können. Die USA hoffen, daß andere Regierungen auf diesen hoffnungsvollen Anfängen aufbauen. Wir alle müssen ungelöste Fragen klären, etwa die Verteilung von erbenlosem Eigentum. Auch müssen wir Museen und Lehrpläne schaffen sowie andere Wege finden, zukünftige Generationen die Wahrheit über die Kriegsjahre und die Beziehungen ihrer Länder zu Nazi-Deutschland zu lehren. Am dringendsten sollten diese Aktionen sich darauf konzentrieren, den Holocaust-Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen. Genau deswegen diskutieren wir mit Großbritannien und Frankreich über die endgültige Verfügung über den Goldpool. Der Bericht kommt zu dem Schluß, daß dieser Pool zumindest einiges Gold aus Privatbesitz enthalten hat, das nicht den Zentralbanken der Regierungen gehörte, die es jetzt vom TGC empfangen haben. Überdies gibt es eine moralische Dimension.
Die verbliebene Summe von fast 70 Mio. Dollar, die auf die Länder, die Anspruch haben aufzuteilen ist, ist gering; doch wenn ein beträchtlicher Teil dieser Summe an Holocaust-Überlebende gegeben werden konnte, würde es ihnen helfen, das Ende ihrer Tage in Würde zu verleben. Dies ist besonders für jene "doppelten Opfer" in Mittel- und Osteuropa und der früheren Sowjetunion wichtig, die sowohl Nazismus und Kommunismus überlebt und keine oder nur eine geringe Entschädigung von Deutschland empfangen haben. Während wir anerkennen, daß die endgültige Entscheidung auf dem Wege der Beratung mit unseren TGC-Partnern und den Ländern mit Ansprüchen getroffen werden muß, sind wir dafür, daß ein bedeutender Teil dieses verbleibenden Goldes einem Fonds zugunsten überlebender Opfer zur Verfügung gestellt wird. Es gibt noch weitere ungelöste Fragen, die in diesem Bericht nur kurz angesprochen werden. Eine, die jüngst aufgetaucht ist, betrifft die Abwicklung der Guthaben ohne Erben auf US-Banken und, ob es überhaupt Nazibeute-Guthaben auf US-Banken gab, einschließlich der US-amerikanischen Töchter von Banken in Schweizer Besitz.
Dies ist ein wichtiges Thema, das weiterer Untersuchungen durch andere Einrichtungen einschließlich der zuständigen staatlichen Behörden bedarf. Ferner ist es wichtig, Versicherungsansprüchen von Familien der Holocaust-Opfer nachzugehen, deren Policen von den Nazis beschlagnahmt wurden oder deren Ansprüche aufgrund einer Reihe von Umständen, einschließlich des Fehlens eines Totenscheins, abgelehnt wurden. Viel Arbeit ist noch zu tun, aber diese vorläufige Studie ist ein großer Schritt nach vorne. Letzten Endes sollten die Vereinigten Staaten, unsere Verbündeten und gleichermaßen die neutralen Nationen nicht so sehr nach den Handlungen oder Nicht-Handlungen einer vorigen Generation beurteilt werden, sondern eher nach dem Willen unserer Generation, sich ehrlich der Vergangenheit zu stellen, dabei zu helfen, Unrecht auszuräumen und sich mit den von den Opfern der Nazi-Aggression erlittenen Ungerechtigkeiten auseinanderzusetzen. Unsere Hoffnung ist es, daß die Studie diesen allgemeineren Zweck fördert. Stuart E. Eizenstat Staatssekretär im Handelsministerium für Internationalen Handel und Sonderbotschafter des Außenministeriums für die Rückerstattung von Eigentum in Mittel- und Osteuropa