Ausgabe November 2002

Das österreichische Experiment

Österreich war das erste Land in der Europäischen Union, in dem eine rechtsextreme Partei in die Regierung gelangte. Damals, im Februar 2000, gab es international große Aufregung 1, aber diese wich mit der Zeit einer merkwürdigen Mischung aus Desinteresse und Lethargie. Österreich ist ein kleines Land, es wurde einfach nicht mehr beachtet. Als aber Italien folgte, Le Pen in Frankreich bei der Präsidentenwahl Zweiter wurde und von Norwegen bis zur Musterdemokratie Schweiz Xenophobie schürende Parteien Zulauf bekamen, griff Ratlosigkeit um sich.

Einen symbolischen Ausdruck fand die allgemeine Hilflosigkeit gegenüber dieser Entwicklung darin, dass viele europäische Medien den Begriff "rechtsextrem" durch "populistisch" beziehungsweise "rechtspopulistisch"ersetzten. 2 Man konnte die Zustände nicht verhindern, also veränderte man die Bezeichnung. Dadurch wurde ein in demokratiepolitischer Hinsicht außerordentlich problematischer Umstand verharmlost, denn Populismus, also die Herrschaft des"gesundenVolksempfindens", ist zwar eine bedenkliche Art Politik zu betreiben, aber nicht automatischextremrechtsoderlinks. Populisten können auch Demokraten sein, Rechtsextremisten nicht. Das Pauschalurteil "Populismus" verwischt außerdem die beträchtlichen Unterschiede zwischen den politischen Bewegungen der diversen Länder.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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