Ausgabe Januar 2008

Setzt den angepassten KSE-Vertrag in Kraft

Internationaler Appell vom 28. November 2007 (Wortlaut)

Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ist ein Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und das Kernelement des kooperativen Sicherheitsansatzes, wie er in der Charta von Paris im November 1990 beschlossen wurde. Doch jetzt ist das ganze Regime aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den NATOStaaten und Russland in ernster Gefahr.

Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ist ein Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und das Kernelement des kooperativen Sicherheitsansatzes, wie er in der Charta von Paris im November 1990 beschlossen wurde. Doch jetzt ist das ganze Regime aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den NATOStaaten und Russland in ernster Gefahr. Die Vertragsstaaten bemühen sich gegenwärtig, einen Kompromiss zu finden, der dieses entscheidende Dokument retten kann. Vor diesem Hintergrund initiierten 33 ehemalige Diplomaten und Wissenschaftler aus zehn Ländern, die KSE-Vertragsstaaten sind, den folgenden internationalen Appell „Setzt den angepassten KSE-Vertrag in Kraft“, um die Ratifizierung des angepassten Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa zu unterstützen. – D. Red.

Dieser Appell wurde von Wissenschaftlern und ehemaligen Diplomaten aus verschiedenen Institutionen und Ländern Europas und Nordamerikas initiiert, um die Ratifizierung des angepassten Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa zu unterstützen. Der Vertrag ist ein Kernelement der europäischen Sicherheitsstruktur und ein unverzichtbares politisches Symbol der Sicherheitskooperation, das nicht zerstört werden darf.

Mit großer Sorge haben wir, die Unterzeichner, die Ankündigung Russlands zur Kenntnis genommen, die Implementierung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) von 1990 am 12. Dezember 2007 suspendieren zu wollen. Wir befürchten, dass dies nicht nur das Ende des KSE-Vertrages herbeiführen, sondern auch das Inkrafttreten des angepassten KSE-Vertrages von 1999 verhindern und damit das gesamte KSE-Regime aufs Spiel setzen könnte. Eine solche Entwicklung würde die kooperative Sicherheit in Europa untergraben und zu neuen Trennlinien und neuer Konfrontation führen.

Der KSE-Vertrag ist ein Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und das Kernelement des kooperativen Sicherheitsansatzes in Europa, wie er in der Charta von Paris im November 1990 beschlossen wurde. Das Verifikationsregime des Vertrages mit seinem regelmäßigen Informationsaustausch und seinen Vor-Ort-Inspektionen ist von unschätzbarem Wert und hat gezeigt, dass Vertrauen und Sicherheit besser durch Zusammenarbeit und Offenheit erreicht werden können als durch Konkurrenz und Geheimhaltung. Darüber hinaus wird die Stabilität durch spezifische Beschränkungen erhöht.

Doch jetzt ist das gesamte Regime aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen der NATO und Russland in ernster Gefahr. Russland betrachtet die Verbindung von NATOErweiterung und der Weigerung des Bündnisses, den angepassten KSE-Vertrag zu ratifizieren, als Bedrohung seiner Sicherheit. Die NATO-Staaten behaupten, dass die fortdauernde Präsenz russischer Truppen in Georgien und Moldau – trotz der Verpflichtung Moskaus, diese abzuziehen – die Ratifikation des angepassten Vertrags nicht erlaube. Wir sind der festen Überzeugung, dass alle Vertragsstaaten an den Kernprinzipien der KSE festhalten sollten und nicht zugelassen werden darf, dass die bestehenden Differenzen ein Regime aushöhlen oder zerstören, das grundlegend für die Sicherheit ganz Europas ist.

Der KSE-Vertrag hat einen wichtigen Beitrag zur Beendigung des Kalten Krieges, zur friedlichen Vereinigung Deutschlands, zur friedlichen Transformation der mitteleuropäischen Staaten und der sowjetischen Nachfolgestaaten sowie zur Verhütung von zwischenstaatlichem konventionellem Krieg in Europa geleistet. In der Tat hat der Vertrag zur Zerstörung von mehr als 60 000 konventionellen Großwaffensystemen und zur Beseitigung der Fähigkeit zu groß angelegten offensiven Handlungen und Überraschungsangriffen in Europa geführt. Die konventionelle Stabilität trägt auch in hohem Maße dazu bei, Nulearwaffen in Europa überflüssig zu machen.

Darüber hinaus hat der KSE-Vertrag dazu beigetragen, subregionale militärische Kräfteverhältnisse zu stabilisieren und subregionales Wettrüsten zu begrenzen. Der Vertrag bot auch ein Modell, um die militärischen Aspekte der gewaltsamen Konflikte in Südosteuropa zu regeln. Wenn das KSE-Regime erhalten bleibt, kann es anderen regionalen Friedens- und Stabilitätsprozessen als Vorbild dienen.

Die Inkraftsetzung des angepassten KSE-Vertrages ist ein wichtiges Instrument, um mehr Staaten in ein europaweites einheitliches Rüstungskontrollregime zu integrieren und damit Kernelemente der Sicherheitskooperation in Europa zu erhalten und zu erweitern. Das Inkrafttreten des angepassten KSE-Vertrages ist ebenfalls notwendig, um zu gewährleisten, dass die Instrumente europäischer Sicherheitskooperation mit den globalen Herausforderungen an unsere heutige Sicherheitslage Schritt halten, einschließlich der neuen Bedrohungen, die von transnationalen Terroristen ausgehen, anstatt Probleme der Vergangenheit und das Misstrauen von gestern neu zu beleben.

Daher appellieren wir an die Regierungen aller KSE-Vertragsstaaten, das KSE-Regime zu bewahren und den angepassten KSE-Vertrag so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Die Ratifizierung durch diejenigen Staaten, die dies noch nicht getan haben, sollte mit konstruktiven neuen Ansätzen zur Lösung der aktuellen Streitfragen Hand in Hand gehen. Alle Staaten und Völker Europas werden verlieren, wenn das KSE-Regime, ein beispielloses Instrument für die Bewahrung des Friedens und von höchster Bedeutung für die Zukunft Europas, jetzt zerstört werden sollte.

 

Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner: Sir Hugh Beach, General a.D., Vereinigtes Königreich Großbritannien; Dr. Christoph Bertram, ehem. Direktor des International Institute of Strategic Studies (IISS), London, und ehem. Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin; Dr. Dieter Boden, Botschafter a.D., ehem. stellv. Leiter der KSE-Delegation der Bundesrepublik Deutschland (1989-1992); Wade Boese, Forschungsdirektor, Arms Control Association (ACA), Washington, D.C.; Prof. Michael Brzoska, wiss. Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH); Peter J. Croll, Direktor des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC); Prof. (em.) Ernst- Otto Czempiel, an der Universität Frankfurt a.M. und ehem. geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK); Jonathan Dean, Botschafter a.D., ehem. Leiter der MBFR-Delegation der USA; Prof. Walter Dorn, Vorsitzender der kanadischen Pugwashgruppe; Dr. Pal Dunay, Fakultätsmitglied des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik, ehem. juristischer Berater der ungarischen Delegation bei den KSE-Verhandlungen (1989-1990); Prof. John Finney, Britische Pugwashgruppe, London; Dr. Istvan Gyarmati, Botschafter a.D., Direktor des International Centre for Democratic Transition, ehem. Leiter der ungarischen Delegation bei den KSE-Verhandlungen; Dr. Rüdiger Hartmann, Botschafter a.D., ehem. Leiter der deutschen KSE-Delegation, später Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle; Prof. Frank von Hippel, Professor of Public and International Affairs, Princeton University, USA; Dr. Günter Joetze, Botschafter a.D., ehem. Leiter der deutschen OSZE-Delegation und ehem. Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin; Prof. Catherine McArdle Kelleher, Watson Institute, Brown University und University of Maryland, USA; Prof. (em.) Jean Klein, an der Université Paris 1 (Sorbonne) und wiss. Mitarbeiter am Institut Français des Relations Internationales (IFRI); Dr. Zdzislaw Lachowski, wiss. Mitarbeiter und Projektleiter für konventionelle Rüstungskontrolle am Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI); Sir Paul Lever, Botschafter a.D., Vorsitzender des Royal United Services Institute (RUSI), ehem. Leiter der britischen Delegation bei den KSE-Verhandlungen; Sverre Lodgard, Norwegian Institute of International Affairs; Jeffrey D. McCausland, Gastprofessor für International Law and Diplomacy an der Penn State Dickinson School of Law, ehem. Direktor für Verteidigungspolitik und Rüstungskontrolle im Nationalen Sicherheitsrat der USA (1999); Arend J. Meerburg, Botschafter a.D., Niederlande; Jack Mendelsohn, außerordentlicher Professor, George Washington University und American University, ehem. US-Vertreter für NATO’s Special Political Committee for Mutual Balanced Force Reductions; Prof. Harald Müller, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK); Prof. Götz Neuneck, wiss. Mitarbeiter des Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Pugwash Deutschland; John Rhinelander, ehem. juristischer Berater der US-Delegation bei den SALT-Verhandlungen; Jane Sharp, Kings College, London; Dr. Hans-Joachim Schmidt, wiss. Mitarbeiter und KSE-Experte der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK); Prof. John Steinbruner, Direktor des Center for International and Security Studies, University of Maryland, USA; Dr. Dmitri Trenin, stellv. Direktor des Carnegie Moscow Center und wiss. Mitarbeiter bei der Carnegie Endowment for International Peace; Henk Wagenmakers, Botschafter a.D. für Rüstungskontrolle und Abrüstung, Niederlande; Dr. Andrei Zagorski, wiss. Mitarbeiter, Center for War and Peace Studies, Moscow State Institute of International Relations (MGIMO) University, Moscow; Dr. Wolfgang Zellner, stellv. wiss. Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Leiter des OSZE Zentrums (CORE) am IFSH.

 

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