Ausgabe November 2013

Österreichisches Vorbeben

Vielleicht sollte man sich in Österreich vom Terminus „Große Koalition“ verabschieden, jedenfalls als Synonym für die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten (SPÖ) und konservativer Volkspartei (ÖVP). Schließlich schafften es die beiden Regierungsparteien bei den Nationalratswahlen am 29. September nur noch denkbar knapp, zusammen über 50 Prozent der Wählerstimmen einzufahren: Die SPÖ erhielt 26,8 Prozent (minus 2,5 Prozent), die ÖVP 24 Prozent (minus 2 Prozent).

Das Ergebnis stellt nach 2008 nicht nur einen neuen historischen Negativrekord für Rot und Schwarz dar, sondern spiegelt auch den Unwillen der Bevölkerung wider, fünf weitere Jahre die vor allem durch interne Querelen und inhaltliche Lähmung gekennzeichnete SPÖ-ÖVP-Regierung ertragen zu müssen. Denn auch die Wahlbeteiligung erreichte mit 74,9 Prozent einen neuen Tiefstand. Viele ehemalige SPÖ- und ÖVP-Wähler blieben enttäuscht zu Hause oder wandten sich anderen Parteien zu. Davon profitierten vor allem zwei neue Gruppierungen: das „Team Stronach“ sowie die „Neos“. Auch wenn beide hinter den Erwartungen zurückblieben, deutet ihr erstmaliger Einzug in das Parlament auf eine tektonische Verschiebung in der österreichischen Parteienlandschaft hin.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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