Ausgabe Februar 2020

Das Ende des indischen Traums (II)

Assam und das Grauen der Staatenlosigkeit

Mann mit indischer Flagge vor einer Menschenmenge

Bild: imago images / ZUMA Press

Assam ist ein Grenzstaat, der in seiner Geschichte unter verschiedener Hoheit stand. Über Jahrhunderte wurde er geprägt von Migration, Kriegen, Invasionen, sich ständig verschiebenden Grenzen und dem britischen Kolonialismus. Dazu kommen mehr als 70 Jahre parlamentarischer Demokratie, die jedoch nur die Bruchlinien einer gefährlich leicht entflammbaren Gesellschaft vertieft haben.

Dass es dort überhaupt zu einem Unterfangen wie dem National Register of Citizens kam, liegt an Assams sehr spezieller Kulturgeschichte. Assam gehörte zu jenen Gebieten, die den Briten 1826 von Birma (dem heutigen Myanmar) nach dem Ersten Anglo-Birmanischen Krieg überlassen wurden. Zu jener Zeit war es eine dicht bewaldete und spärlich besiedelte Provinz, in denen hunderte Gemeinschaften lebten – unter ihnen Bodo, Santal, Cachar, Mishing, Lalung, Ahomiya-Hindus und Ahomiya-Muslime –, die alle ihre eigene Sprache oder Sprechweise pflegten und alle eine organische, aber oft undokumentierte Beziehung zum Land hatten. Assam ist wie ein Mikrokosmos von Indien: eine Sammlung von Minderheiten, die um Allianzen rangeln, damit sie eine Mehrheit erzeugen können – ethnisch wie sprachlich. Alles, was die vorherrschende Balance verschob oder bedrohte, wurde zum potentiellen Auslöser für Gewalt.

Februar 2020

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Euphorie und Ernüchterung: Bangladesch nach dem Aufstand

von Natalie Mayroth, Dil Afrose Jahan

Im September fanden an der Universität Dhaka, einer der wichtigsten Hochschulen Bangladeschs, Wahlen zur Studentenvereinigung statt. Manche sehen sie als Testlauf für die nationalen Wahlen. Daher ist es ein Warnsignal, dass dort ausgerechnet der Studentenflügel der islamistischen Jamaat-e-Islami gewann.

Koloniale Nachwehen: Der Kampf um Kaschmir

von Amadeus Marzai

Ein brutaler Terroranschlag riss am Nachmittag des 22. April das idyllische Baisaran-Gebirgstal im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs aus seiner Ruhe. Es war der Beginn einer rapiden Eskalation im seit jeher angespannten indisch-pakistanischen Verhältnis und könnte sogar zum Ausgangspunkt eines größeren Krieges zwischen den beiden Nuklearmächten werden.

Südkorea: Vom Putschversuch zur Richtungswahl

von Fabian Kretschmer

Es ist mehr als nur ein Klischee, dass die südkoreanische Demokratie zu den lebhaftesten in ganz Asien zählt. Seit der Wahlkampf Anfang Mai offiziell eingeläutet wurde, sind die gläsernen Fassaden der Bürotürme in der Hauptstadt Seoul mit riesigen Plakaten der Spitzenkandidaten zugepflastert.