Ausgabe Oktober 2021

Klimaneutral wohnen – zu welchem Preis?

In der Debatte darüber, wie Deutschland Klimaneutralität erreichen kann, dominieren Themen wie der Kohleausstieg, erneuerbare Energien oder die Verkehrswende. Einem Bereich aber werde zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl er nahezu jeden betrifft, kritisiert der Energiesystemmodellierer Alexander Burkhardt: dem Gebäudesektor. Dabei dürfte das Thema auch die kommenden Koalitionsverhandlungen prägen.

Der Gebäudesektor, also Wohnungen, Häuser und andere Immobilien, ist derzeit für rund 15 Prozent der deutschen Emissionen direkt verantwortlich – bilanziert man den Fernwärme- und Stromverbrauch sowie die bei Konstruktion und Bau anfallenden Emissionen mit, kommt man auf etwa 30 Prozent.[1] Der Hauptanteil entsteht bei der Erzeugung von Wärme zum Heizen und für Warmwasser. Um diese drastisch zu senken, gibt es zwei wichtige, einander ergänzende Wege: die Reduzierung des Energiebedarfs durch energetische Sanierung sowie die Umstellung auf eine treibhausgasneutrale Erzeugung von Wärme.

Um Letzteres zu erreichen, stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung: In urbanen Gebieten wird vor allem die Fernwärmeversorgung eine zentrale Rolle spielen. In dünner besiedelten Regionen müssten Wärmepumpen den Großteil der dezentralen Erzeugung übernehmen, ergänzt durch den begrenzten Einsatz von Solarthermie und Biomasse. Jüngere Erfahrungen zeigen, dass Wärmepumpen auch für Mehrfamilienhäuser und Altbauten eine gute Alternative zu den derzeit vorherrschenden Gasthermen und Ölheizungen sind.[2] Dagegen wird eine Umstellung auf Wasserstoff oder synthetisches Gas, wie es sich manche erträumen, voraussichtlich an mangelnder Effizienz, knappen Erzeugungskapazitäten sowie fehlender Wirtschaftlichkeit scheitern.

Ein zentraler Hebel, um sowohl die Sanierung als auch die Transformation der Wärmeerzeuger zu forcieren, ist die Bepreisung von CO2-Emissionen. Mit dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) existiert auf europäischer Ebene schon länger ein Instrument, um den CO2-Emissionen in den Sektoren Industrie, Energiewirtschaft und innereuropäischer Luftverkehr einen Preis zu geben. Ergänzend ist in Deutschland zum Jahresbeginn der im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) festgelegte CO2-Preis für die Sektoren Verkehr und Wärme in Kraft getreten. Seitdem kostet die Emission einer Tonne CO2 25 Euro, bis 2025 soll der Preis sukzessive auf 55 Euro ansteigen. Für das Jahr 2026 ist ein Korridor zwischen 55 und 65 Euro geplant, danach soll sich der Preis frei am Markt bilden, ähnlich wie beim EU-ETS.

Nationale CO2-Preise gibt es längst auch in anderen Ländern. So gilt in der Schweiz ein Preis von umgerechnet 86 Euro pro Tonne, in Schweden liegt er sogar bei 120 Euro und in Frankreich soll er, nach einer Verschärfung im Jahr 2017, bis zum kommenden Jahr auf rund 86 Euro pro Tonne steigen.[3]

Allerdings wurde diese geplante Erhöhung aufgrund der Gelbwestenproteste vorübergehend ausgesetzt. Diese entzündeten sich vor allem an der fortwährenden Belastung von Menschen mit niedrigen Einkommen auch in anderen Bereichen, während Vermögende entlastet wurden: So hatte die französische Regierung zuvor die Vermögensteuer abgeschafft und zugleich Wohngeldzuschüsse gesenkt sowie die Tabaksteuer und Sozialbeiträge erhöht.[4]

Seitdem treibt das Gespenst der Bürgerproteste auch die deutschen Parteien um – mit der Folge, dass anstatt über Notwendigkeiten zu debattieren, vor angeblich zu hohen CO2-Preisen gewarnt wird. Dabei kann eine solche Bepreisung, bei der die Einnahmen an die Bevölkerung zurückverteilt werden, untere Einkommen sogar entlasten.[5]

Dies geht entweder über eine Senkung der EEG-Umlage oder als direkte Pro-Kopf-Rückverteilung. So erhalten Schweizer und Franzosen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung teilweise zurück, Schweden senkte als Ausgleich andere Steuern.

Eine solche Rückverteilung fordern hierzulande unter anderem die FDP („Klimadividende“) und die Grünen („Energiegeld“). Die SPD hingegen will zunächst die EEG-Umlage senken und einen Pro-Kopf-Bonus „prüfen“. Auch die CDU möchte die EEG-Umlage senken und verspricht, die CO2-Einnahmen „in vollem Umfang an die Bürgerinnen und Bürger“ zurückzugeben – ohne allerdings zu benennen, wie dies geschehen soll.

Auch bei der Höhe des CO2-Preises bleiben die Pläne der CDU vage: Sie will den „Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung straffen“, ohne jedoch konkret zu werden. Lediglich die Grünen benennen konkrete Ziele. Demnach soll der CO2-Preis bereits 2023 auf 60 Euro pro Tonne und danach weiter steigen. SPD und Linke lehnen hingegen eine weitere Erhöhung des Preises ab und setzen stattdessen auf andere Instrumente.

»Würde man die Auswirkungen der Klimakrise auf heutige und künftige Generationen gleich gewichten, so ergäbe sich sogar ein Kostensatz von 680 Euro pro Tonne.«

Doch Klimaaktivist*innen gehen all diese Forderungen nicht weit genug: Sowohl Fridays for Future als auch Scientists for Future fordern seit langem deutlich höhere CO2-Preise und nennen dabei den Wert von 180 Euro pro Tonne, den das Umweltbundesamt (UBA) als Äquivalent für die gesellschaftlichen Kosten einer ausgestoßenen Tonne CO2 errechnete. Inflationsbereinigt hätte der Preis bereits für das vergangene Jahr bei 195 Euro liegen müssen. Würde man überdies die Auswirkungen der Klimakrise auf heutige und künftige Generationen gleich gewichten, so ergäbe sich für 2020 laut UBA sogar ein Kostensatz von 680 Euro pro Tonne.[6] Von der weiteren Ausgestaltung eines CO2-Preises für den Gebäudesektor wird abhängen, von welchen Instrumenten er flankiert werden muss: Wird der Preis stark steigen? Soll der nationale Emissionshandel für Verkehr und Gebäude in den europäischen Emissionshandel integriert werden, wie dies FDP und CDU fordern? Wird der Preis also frei am Markt gebildet oder politisch vorgegeben? Und wie transparent ist dies für Bürger*innen und Unternehmen, die Entscheidungen über die Sanierung oder den Austausch einer Heizung treffen müssen?[7]

Der Gebäudesektor unterscheidet sich fundamental von den anderen Sektoren – wie Industrie und Verkehr –, was zu besonders starken Verharrungskräften führt. Eine sozial- und klimagerechte CO2-Bepreisung muss dies explizit mitberücksichtigen.

So gibt es eine vergleichsweise komplizierte Eigentums- bzw. Nutzungsstruktur. Rund 46,5 Prozent aller bewohnten Wohnungen werden von den Eigentümer*innen bewohnt, der Rest wird vermietet. Vermieter*innen sind entweder Privatpersonen, privatwirtschaftliche Unternehmen oder Bau- und Wohnungsgenossenschaften. Dabei ist die Eigentumsquote im Westen höher als im Osten und im ländlichen Raum höher als im städtischen. Zudem sind Eigentümer*innen in der Regel älter als die Durchschnittsbevölkerung.[8] Die gleiche Struktur zeigt sich auch bei den privaten Kleinvermieter*innen, die im Schnitt ebenfalls deutlich älter sind.[9]

Insbesondere die Altersstruktur der privaten Eigentümer*innen von Wohnraum erschwert eine Transformation im Gebäudesektor: Da sich Investitionen in energetische Sanierungen mitunter erst nach rund fünfzehn Jahren rechnen, fehlt gerade älteren Eigentümer*innen die Motivation für eine Sanierung. Zudem mangelt es einigen von ihnen schlicht an finanziellen Mitteln, um in einen Tausch der Heizung oder die Sanierung der Fassade oder des Dachs zu investieren.[10]

»Vermieter*innen mit einem nur geringen Anreiz zu investieren, stehen Mieter*innen ohne Einfluss auf Investitionsentscheidungen gegenüber.«

Zugleich haben Mieter*innen in der Regel keinen Einfluss auf die Sanierung ihrer Wohnung bzw. ihres Hauses oder auf die Art der Heizung. Daher hatte die große Koalition ursprünglich eine hälftige Aufteilung des CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern beschlossen. Doch nach heftigen Protesten der Wohnungswirtschaft und von Eigentümerverbänden verhinderte dies die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Somit tragen derzeit die Mieter*innen die vollen Kosten der CO2-Bepreisung.

Damit stößt auch die Diskussion um die Erhöhung des CO2-Preises auf das sogenannte Mieter-Vermieter-Dilemma, da die Vermieter*innen, die über eine klimafreundliche Investition entscheiden, nicht von ebendieser profitieren. Vermieter*innen mit einem nur geringen Anreiz zu investieren, stehen somit Mieter*innen ohne Einfluss auf Investitionsentscheidungen gegenüber. Und während die großen Wohnungsunternehmen in den medialen Diskussionen besonders präsent sind, wird das Gros von rund 80 Prozent der Wohnungen von privaten Eigentümer*innen gehalten, entweder zur Selbstnutzung oder zur Vermietung. Doch die bisherigen politischen Instrumente erreichen diese Gruppe, die für die nötigen CO2-Einsparungen von enormer Bedeutung ist, nur unzureichend.

Ein weiteres Hemmnis stellt der besonders in den Ballungsräumen stark angespannte Wohnungsmarkt dar.[11] Die enormen Schwierigkeiten bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum nimmt Mieter*innen de facto die Möglichkeit, die Energieeffizienz sowie den Energieträger der Heizung in ihre Entscheidung mit einzubeziehen, da viele sich schon glücklich schätzen können, überhaupt eine Wohnung zu finden. So aber verspüren Vermieter*innen bislang nur wenig Druck, in Sanierung und klimafreundliche Heiztechnologien zu investieren. Dazu kommen weitere Hemmnisse wie Bequemlichkeit, Bedenken gegenüber den neuen Technologien, begrenzte Kapazitäten im Handwerk oder fehlendes Wissen um mögliche Alternativen.

»Der Klimaschutz ist nun also dort angekommen, wo es potentiell unangenehm wird: in den eigenen vier Wänden.«

Doch all diese Herausforderungen spielen bislang in der politischen Debatte kaum eine Rolle. Allein der CO2-Preis soll es richten. Damit ist offenbar die Hoffnung verbunden, auf Verbote weitestgehend verzichten zu können.

Doch ohne diese wird die Klimawende nicht gelingen: Nimmt man das – genau genommen schon zu späte – Ziel der Klimaneutralität ab 2045 ernst, müsste dem bereits beschlossenen Einbauverbot von Ölheizungen ab 2026, das mit diversen Ausnahmen gespickt ist, sehr bald ein Einbauverbot für Gaskessel folgen. Davon aber ist bislang keine Rede, geschweige denn, dass die für Fernwärmeversorgung und Wärmepumpen nötige Infrastruktur insbesondere in dichtbesiedelten Großstädten ausreichend in den politischen Fokus genommen würde.

Die Frage, wie die CO2-Bepreisung nach der Bundestagswahl gestaltet werden wird, dürfte einer der zentralen Punkte in den kommenden Koalitionsverhandlungen werden: Hinsichtlich der Höhe, der Verwendung der Einnahmen, der Aufteilung der Kosten zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen und der Notwendigkeit zusätzlicher, flankierender Instrumente besteht zwischen den Parteien große Uneinigkeit.

Damit die CO2-Bepreisung im Gebäudesektor überhaupt ihre Wirkung entfalten kann, braucht es erstens einen konkreten, transparenten (Mindest-)Preispfad für die nächsten 10 bis 15 Jahre, zweitens eine sozial gerechte Rückverteilung der Einnahmen zur Abfederung sozialer Härten, drittens attraktive Möglichkeiten zur Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen, viertens eine unbürokratische Umlage der Kosten auf die Vermieter*innen, idealerweise in voller Höhe, und fünftens Informationsangebote an alle Bürger*innen, in denen die möglichen Optionen klar benannt und mit konkreten Anwendungsfällen erläutert werden.

Mit der Diskussion um die Ausgestaltung der CO2-Bepreisung und weiteren, dringend notwendigen Maßnahmen im Gebäudesektor ist der Klimaschutz nun also dort angekommen, wo es potentiell unangenehm wird: in den eigenen vier Wänden. Die Zeit ist knapp – und ein Vertagen der nötigen Auseinandersetzung gefährdet massiv das Ziel, das Land klimaneutral zu gestalten.

[1] Umweltbundesamt, „Treibhausgasminderungsziele Deutschlands“, www.umweltbundesamt.de, 3.9.2021.

[2] Danny Günther u.a., Wärmepumpen in Bestandsgebäuden – Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „WPsmart im Bestand“, Freiburg, 23.7.2020.

[3] Vgl. Michael Thöne, CO2-Bepreisung im Gebäudesektor und notwendige Zusatzinstrumente, Köln 2019.

[4] Vgl. Murielle Gagnebin, Patrick Graichen und Thorsten Lenck, Die Gelbwesten-Proteste: Eine (Fehler-)Analyse der französischen CO2-Preispolitik, Berlin 2019.

[5] Vgl. Matthias Kalkuhl, Brigitte Knopf und Ottmar Edenhofer, CO2-Bepreisung: Mehr Klimaschutz mit mehr Gerechtigkeit, www.mcc-berlin.net, 2021.

[6] Umweltbundesamt, Konsequenter Umweltschutz spart der Gesellschaft viele Milliarden Euro, www.umweltbundesamt.de, 21.12.2020.

[7] Vgl. Jessica Berneiser u.a., Maßnahmen und Instrumente für eine ambitionierte, klimafreundliche und sozialverträgliche Wärmewende im Gebäudesektor, Potsdam 2021.

[8] Vgl. Michael Voigtländer und Pekka Sagner, IW Gutachten – Wohneigentum in Deutschland, August 2019.

[9] Vgl. Michael Voigtländer und Björn Seipelt, Perspektiven für private Kleinvermieter, September 2017.

[10] Vgl. Steven März, „Private Kleinvermieter – Ein vergessener Akteur auf dem Weg zur Wärmewende?!“, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 3/2018, S. 17-21.

[11] Vgl. Werner Heinz, Boden und Wohnungen: Eldorado der Kapitalverwertung, in: „Blätter“, 8/2021, S. 112-120.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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