Russlands Krieg und der Westen

Bild: Wladimir Putin und der Präsident des russischen Verfassungsgerichts Waleri Sorkin im Moskauer Kreml, 23.5.2023 (IMAGO / ITAR-TASS)
Nach mehr als einem Jahr blutigem Krieg in der Ukraine und angesichts der intensivierten Kampfhandlungen mehren sich die Stimmen, die einen baldigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen fordern. Dies gilt in besonderem Maße für die Bevölkerung in Ostdeutschland.[1] Manifeste und Demonstranten fordern oft mehr Verständnis für russische Interessen und mehr Reflexion über den westlichen Beitrag zum Krieg.[2] Dieses Ansinnen provoziert bisweilen heftige Reaktionen von Kommentatoren, die in solchen Appellen weitere Fälle von naivem, wenn nicht gar feigem „Russland-Verstehen“ sehen. Dabei sind manche Punkte der „Russland-Versteher“ durchaus nachvollziehbar. Erstens ist Empathie (im Sinne von Einfühlungsfähigkeit) grundsätzlich wertvoll und oft sogar politisch unentbehrlich – insbesondere während militärischer Auseinandersetzungen, in denen die Gegner meistens viel zu schnell dämonisiert werden. Zweitens sieht man sich in Moskau inzwischen wirklich militärisch bedroht. Drittens fühlen sich Russlands Eliten und weite Teile der Bevölkerung tatsächlich gekränkt durch die Politik des Westens. Sie sehen sich nicht ohne Grund in Europa ausgegrenzt – die Folge eines Prozesses, an dem die Nato-Staaten keineswegs unbeteiligt waren.
Kränkung ist aber nur ein Gefühl, das, für sich genommen, noch keine Ansprüche begründet.