Im zurückliegenden Jahr wurde in den "Blättern" über die "demokratische Frage" (Helmut Dubiel, 4/1990; Micha Brumlik, 6/1990; Helmut Ridder, 8/1990), über "Neuvermessungen jenseits des Systemgegensatzes" (Eckart Spoo, Lutz Marz, 9/1990; Joachim Bischoff, Wilhelm Hankel, 10/1990) und über die innerdeutschen Perspektiven der "Zivilgesellschaft" (Thomas Schmid, 10/1990; Jörg Gutberger/Frank Lübberding, 11/1990; Lutz Marz, Friedrich Dieckmann, 12/1990) diskutiert. Der vorliegende Beitrag des Berliner Politikwissenschaftlers Wolf-Dieter Narr verknüpft einige Fäden dieser Debatten. Gegen allzu luftige Verfassungsprojekte plädiert er für die Bewahrung eines - analytisch wie politisch gesellschaftskritischen Standpunkts, ohne diesen freilich in einem ebenso fernen Jenseits zu verorten - und ohne auf die zivilgesellschaftlichen Desiderate einer politischen Umgründung zu verzichten. Der Beitrag bezieht sich - außer auf die Arbeit des Bremer Verfassungsrechtlers Ulrich K. Preuß - vor allem auf die Beiträge der Frankfurter Autorengruppe Ulrich Rödel, Günter Frankenberg und Helmut Dubiel, die Dubiel im Aprilheft 1990 vorgestellt hatte. Im Juniheft antwortete Micha Brumlik unter dem Titel "Verfassungsgebungspatriotismus".
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.