Ein Kolloquium über Metamorphosen des intellektuellen Engagements
Wer interessiert sich heute für die Intellektuellen und ihre Probleme außer den Intellektuellen selbst? Wenn Intellektuelle über sich selbst reden, liegt deshalb der Verdacht nahe, daß sie es nicht in der Absicht der Selbstaufklärung tun, sondern zu dem Zweck, die düstere Stille um sich herum vergessen zu machen. Wer in der Dunkelheit singt, kann seine Beklemmung übertönen, sagt Freud; klarer sieht er deshalb noch nicht. Vielleicht will er das auch gar nicht, weil der singende Intellektuelle ahnt, daß ihn ein Anblick erwartet, der ihn noch mehr beängstigt als die alle Geräusche verschluckende Dunkelheit. Im vergangenen Dezember hatten Intellektuelle aus verschiedenen europäischen Ländern Gelegenheit erhalten, laut über sich nachzudenken, ohne gleichzeitig mit schrillen Tönen gegen die sie umgebende Gleichgültigkeit angehen zu müssen. Zwei Tage lang durften sie sich in der Hauptstadt des Landes, das die Figur des öffentlich eingreifenden Intellektuellen geschaffen hat und sie weiterhin in Ehren hält, aufgehoben und ernstgenommen fühlen.
Laurent Fabius, der Präsident der Pariser Nationalversammlung, hatte zu einem internationalen Kolloquium eingeladen: "Die Intellektuellen in Europa 1945-1991 - Metamorphosen des Engagements", zusammen mit der Sorbonne und dem "Maison des Ecrivains", dem nationalen Literaturhaus.