Ausgabe Mai 1995

Die Türkei in Deutschland

Der ethnische Konflikt zwischen der kurdischen Volksgruppe und dem türkischen Staat, die Gewalttaten gegen türkische Einrichtungen und Geschäfte in Deutschland, die blutigen Auseinandersetzungen in Istanbul nach Mordanschlägen auf Angehörige der religiösen Minderheit der Aleviten und nicht zuletzt die Militäraktion im Nordirak führen dazu, daß die Türkei gegenwärtig nahezu täglich in den bundesdeutschen Schlagzeilen erscheint. Es ist (nicht nur) für Außenstehende schwierig, angesichts der Vielfalt der Probleme und Konfliktebenen die Nachrichten ohne Klischees und Vorurteile zu verarbeiten. Eine Folge der Unübersichtlichkeit und der Überforderung vieler bundesdeutscher Nachrichtenkonsumenten ist, daß hier lebende Menschen aus der Türkei über einen zunehmenden Verlust an Ansehen klagen. Nicht nur die kleine Minderheit von Gewalttätern kurdischer und türkischer Volkszugehörigkeit gerät in Verruf, sondern alle aus der Türkei stammenden Menschen, die in ihrer Gesamtheit als zerstritten und potentiell gewalttätig angesehen werden. Zu solchen Pauschalierungen, die Menschen letztlich isolieren und ausgrenzen, tragen nicht nur hämische Äußerungen von bundesdeutschen Arbeitskollegen bei - wenn etwa behauptet wird, es sei eine Schweinerei, wie "die Türken" mit "den Kurden" umgehen.

Mai 1995

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Ukraine: Zwischen Korruption und Diktatfrieden

von Yelizaveta Landenberger

Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann.

Vom Einsturz zum Aufbruch: Die Protestbewegung in Serbien

von Krsto Lazarević

Rund 110 000 Menschen füllen am 1. November die Fläche vor dem Hauptbahnhof in Novi Sad, um der Opfer zu gedenken, die ein Jahr zuvor unter dem einstürzenden Vordach starben. Für die seit Monaten Protestierenden steht der Einsturz nicht für ein bauliches, sondern für ein politisches und gesellschaftliches Versagen: ein sichtbares Symbol für Korruption und ein zunehmend autokratisches System.

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.