Ausgabe November 1996

Dortmund zum Beispiel

Eine deutsche Zentralstelle für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen

Im April 1994 Jahr stand in Frankfurt der Schriftsteller Ralph Giordano vor Gericht. Das ihm zur Last gelegte Vergehen: Beleidigung, Ehrverletzung und Verunglimpfung eines Staatsbeamten. Giordano hatte in der Rezension eines Buches von Peter Finkelgruen über den Mord an seinem Großvater in der Kleinen Festung Theresienstadt 1) noch einmal auf die sattsam bekannte Tatsache hingewiesen, daß die deutsche Nachkriegsjustiz unzählige NS-Täter hat laufen lassen - "der Rechtsstaat als Synonym für Täterbegünstigung", um es mit Giordanos Worten zu sagen. 2) Und im Zusammenhang mit dem konkreten Fall, um den es in dem Buch ging - der Weigerung der Dortmunder Staatsanwaltschaft, ein Hauptverfahren gegen den KZ-Aufseher Malloth, den Mörder von Peter Finkelgruens Großvater, zu eröffnen -, nannte er Oberstaatsanwalt Klaus Schacht nach dessen Auftritt in "Titel, Thesen, Temperamente" einen "emotionslosen Ochsenfrosch", "dem die Untat ins Gesicht geschrieben stand". Giordano entschuldigte sich später im Fernsehmagazin Kontraste für diesen Vergleich - bei den Ochsenfröschen.

Der beleidigte Staatsbeamte aber zog in letzter Minute seine Klage zurück, ob auf diskrete Weisung aus dem Düsseldorfer Justizministerium 3), blieb ungeklärt.

November 1996

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Micha Brumlik: Ein furchtloser Streiter für die Aufklärung

von Meron Mendel

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und anschließend der Krieg der Netanjahu-Regierung in Gaza begann, fragten mich viele nach der Position eines Mannes – nach der Micha Brumliks. Doch zu diesem Zeitpunkt war Micha bereits schwer krank. Am 10. November ist er in Berlin gestorben.

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.