Zur palästinensischen Gewaltdebatte
Am 25. März 2003 liquidierten israelische Soldaten in Bethlehem einen mutmaßlichen Militanten. Bei der Operation starben außerdem zwei Männer und ein elfjähriges Mädchen, die nicht auf der Fahndungsliste standen. Meldungen wie diese vom Alltag an der israelisch-palästinensischen Front waren während der Bombenangriffe auf Bagdad nicht mehr als einen Dreizeiler wert und verschwanden im Innenteil der Zeitungen. Wer wollte es den Medien anlasten? Als im März/April 2002 bei der israelischen „Operation Schutzwall“ 660 Menschen den Tod fanden, war das Entsetzen der Staatengemeinschaft noch groß gewesen. Der UN-Sicherheitsrat rief zu einem sofortigen Waffenstillstand auf, der US-Präsident schickte seinen Außenminister zu einer Sondierungs- und Vermittlungsreise in die Region, bei dessen Ankunft in Jerusalem sprengte sich eine Palästinenserin in die Luft, sechs Passanten starben. Das ist Drama pur: eine Eskalation, eine Resolution, eine Mission, ein Selbstmordattentat. Inzwischen hat sich die Zahl der Opfer wieder auf das durchschnittliche Niveau seit Beginn der zweiten Intifada am 29. September 2000 eingependelt: drei Tote am Tag.
Für die Außenwelt haben die Rituale der Vergeltung, wie der Gewaltkonflikt wahrgenommen wird, den Charakter des immerfort Gleichen. Auf die Gesellschaften, die ihre Toten beklagen, hat er hingegen dramatische Auswirkungen.