Ausgabe April 1990

Zurück zum alltäglichen Krieg

Eine Epoche geht zu Ende, der Traum ist ausgeträumt. Der Traum so vieler Nicaraguaner, Lateinamerikaner und auch Europäer, es ließe sich - zwei Jahrzehnte nach der kubanischen Revolution - noch einmal ein Land aus der verhängnisvollen Umarmung durch die Supermacht im Norden herauslösen. Der Traum, ein Drei-MillionenVolk könne seinen eigenen revolutionären Weg finden, zwischen den Großmächten lavierend, moralisch und tatkräftig unterstützt von blockfreien Staaten, linker internationaler Solidarität und humanitären Organisationen. Eine Revolutionsregierung ist abgewählt worden, von der Mehrheit der eigenen Bevölkerung. Die hat an den schönen Traum nicht mehr geglaubt, hat sich lieber an die Realität gehalten, daran, daß das Fressen vor der Moral kommt. Realität, das war natürlich auch, wenn die CIA die Häfen Nicaraguas verminte, wenn Ronald Reagan 15 000 Contras vom Nachbarstaat Honduras aus Krieg führen ließ und alle Hebel in Bewegung setzte, um den unbotmäßigen David wieder zu unterjochen.

Aber für die Bevölkerung waren nicht nur die Ursachen, sondern vor allem die Ergebnisse der Aggression, vermehrt um selbstverschuldete Irrwege der Revolution, Realität. Militärisch konnten die USA mit ihren Contra-Truppen den Krieg nicht gewinnen, aber jetzt wissen wir - sie brauchten es auch nicht.

April 1990

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.