I
Was bleiben wird, sind unsere Erfahrungen und Erinnerungen. Sie werden unser späteres Verhalten mitprägen. Ich glaube, daß der Vorgang, den wir gegenwärtig erleben, nämlich ein schnelles Abstreifen - so eine Art Umziehen und Duschen, der Versuch, die DDR einfach abzuduschen -, auf Dauer nicht gelingen kann. Vieles wird später wiederkommen. Wir werden noch zehn bis zwanzig Jahre lang unterschiedlich geprägte Menschen sein. Dies wird sich auch in unserem Verhalten darstellen, obwohl es gegenwärtig so aussieht, als ob wir ohne Besinnung in die Coca Cola-Kultur eintauchen und geschichtsvergessen einfach alles übernehmen. Die nachdenklichen Menschen in unserem Land werden den Prozeß unterstützen müssen. Dazu werden wir Zeit brauchen. Ich erinnere daran, daß Christa Wolf erst im Jahre 1974 ihr großes Buch "Kindheitsmuster" schreiben konnte. Wir brauchen dazu ein bißchen Abstand.
Dann wird unsere ganze Geschichte wieder so nah sein, als wäre es gestern gewesen. Das werden wir aber zu unserer eigenen Katharsis auch wirklich brauchen. Das wäre das eine, mehr ein politpsychologischer Vorgang. Das andere ist: Ich halte es nicht für ein Märchen, daß die DDR ein bestimmtes Solidarbewußtsein gehabt hat.